Schlangenjagd
darauf vertrauen müssen, dass die Zeit ihren Fähigkeiten nicht geschadet hatte, die sie in ihrem schlimmen Bürgerkrieg vor dreißig Jahren entwickelt und perfektioniert hatten.
Cabrillo legte die Hände zu einem Schalltrichter geformt an den Mund und rief Max’ Namen. Als Hanley hochschaute, machte Juan eine Armbewegung, um ihn und seine Leute zur Eile anzutreiben. Max sagte etwas zu Mafana, während der erste Bus mit kreischenden Bremsen vor der Gangway anhielt. Die Tür schwang auf, und eine Kette von Männern stieg aus. Die Ersten gingen auf Mafana zu, um ihn zu umarmen und zur Befreiung von Moses Ndebele zu beglückwünschen, aber der afrikanische Rebell musste ihnen erklärt haben, schnellstens an Bord zu gehen. Die Männer stiegen zum Hauptdeck hinauf, während die anderen Busse neben dem Schiff stoppten.
Juan aktivierte sein Mobiltelefon und wählte sich in den Hangar, wo, wie er wusste, George Adams mit seinem Helikopter wartete. Der Pilot meldete sich bereits nach dem zweiten Klingeln.
»Fly By Night Airlines.«
»George, ich bin’s – Juan.«
»Was ist los, großer Meister?«
»Singers Männer haben mit dem Angriff begonnen. Sobald wir den Hafen hinter uns haben, möchte ich, das wir eins unserer UAVs losschicken.« Die ferngesteuerten Flugkörper, auch ›unmanned aerial vehicles‹ genannt, waren im Grunde nichts anderes als kommerziell genutzte Modellflugzeuge, die mit Minikameras und Infrarotdetektoren ausgerüstet waren.
»Ich bereite eins vor«, sagte Adams. »Aber ich kann nicht beide fliegen, falls du den Helikopter brauchst.«
»Tiny kommt mit Ndebeles Männern an Bord. Er wird es fliegen. Ich möchte nur, dass du das Ding startklar machst.«
»Bin schon dabei.«
Cabrillo blickte hinüber zur Reling. Zwei Schlangen Männer marschierten die Gangway herauf. Keiner von ihnen trug zu viel Gewicht mit sich herum, was ihn nicht überraschte, da sie in einem Flüchtlingslager wohnten. Aber es gab einige ausgesprochene Riesen unter ihnen. Er sah mehr graue Haare, als er gehofft hatte, doch die ehemaligen Freiheitskämpfer wirkten fit und entschlossen. Das waren keine gebrochenen alten Männer, sondern hagere, hungrige Soldaten, die ihre Aufgabe kannten.
Er wollte Eddie Seng anrufen und ihn bitten, die neuen Passagiere in Empfang zu nehmen. Doch sein Chef für landgestützte Operationen stand bereits am Ende der Gangway und dirigierte die Soldaten in einen der Frachträume des Schiffes, wo Moses Ndebele wartete, um sie mit einer kurzen Ansprache zu begrüßen. Dort sollten sie außerdem mit Sturmgewehren, Munition und anderer Ausrüstung ausgestattet werden.
Durch die Tatsache angetrieben, dass der Angriff bereits im Gange war, schienen Juans Leute einen völlig neuen Grad von Effizienz erreicht zu haben. Im Grunde hatte er auch nichts anderes erwartet.
Eric Stone hatte die Prozession vom Operationszentrum aus über das interne Fernsehnetz verfolgt. Sobald Max und Linc das Schiff nach dem letzten Soldaten betreten hatten, wurde die Gangway eingezogen. Juan schaute hoch und sah, wie eine dicke Wolke künstlichen Qualms aus dem Schornstein der
Oregon
quoll. Das ramponiert aussehende Interkom neben der Tür zur Brückennock klingelte.
»Wir sind bereit«, sagte Eric, als Juan sich meldete. Er blickte über das Schiff, wo ein Helfer an der Achterleine wartete. Er gab dem Mann ein Zeichen, und er hob das schwere Tau über den Poller und ließ es ins Wasser gleiten. Sofort begann eine Winde, es ins Schiff hineinzuziehen. Juan winkte auch den Hafenarbeitern am Bug zu. Ehe er Stone melden konnte, dass sie frei waren, schäumte das Wasser zwischen der
Oregon
und dem Kai auf, während die achtern gelegenen Korrekturdüsen ihre Arbeit aufnahmen. Als sie sich hinter dem Heck des russischen Frachters hervorschoben, aktivierte Eric den magnetohydrodynamischen Antrieb, drosselte jedoch die Geschwindigkeit, damit sich der Rumpf nicht aufstellte oder tiefer ins Wasser tauchte. Erst als der seichte Hafen knapp zwei Kilometer hinter ihnen lag, ging er auf volle Kraft voraus.
Juan blieb noch für einen Augenblick auf der Brückennock stehen. Er wusste, dass dies die letzten friedlichen Sekunden für ihn waren, bis die Mission abgeschlossen war. Die Nervosität, die ihn überkam, als Linda ihm mitteilte, dass der Angriff begonnen hatte, machte einer neuen Empfindung Platz, einer Empfindung, die er nur zu gut kannte. Es war das Gefühl, wenn die erste Adrenalindosis in seinen Körper gepumpt wurde. Es schien
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