SCHLANGENWALD
machten sich einen gemütlichen Frauenabend. Von den momentanen Empfindungen für Markus erzählte Paula nichts. Sie kannte Cleas Meinung zu Beziehungen nur zu gut: Genieße jede Minute! Aber wenn es nicht mehr richtig läuft, dann besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Für die praktische Clea war Liebe nur ein chemischer Prozess. Dementsprechend lang oder vielmehr kurz waren ihre ständig wechselnden Liebesbeziehungen.
Mit Salamipizza und Cola saßen die beiden vor dem Laptop und surften durch unzählige Costa-Rica-Seiten. Paula erzählte Clea einiges von dem, was sie bisher über das Land recherchiert hatte. Clea hob zweifelnd die linke Augenbraue. „Teilweise mag es so wunderbar sein, wie du es mir schilderst. Aber ich hoffe doch, dass gerade du nicht alles für bare Münze nimmst, was da steht. Du schreibst doch selbst Texte für Kunden.“ Clea ließ sich nur schwer beeindrucken. Vor allem von Medienberichten. Wie um ihr Misstrauen zu bestätigen, sprangen ihnen einige kritische Artikel ins Auge. Dilemma ohne Ende lautete ein Titel. Es ging um Ökologie und die Probleme zwischen Naturschützern und den aus dem Boden schießenden Tourismusbetrieben.
Diese Berichte zeigten die Situation von Costa Rica in einem ganz anderen Licht, als es die Schwärmereien von begeisterten Reisenden oder Tourismusorganisationen taten. Es ging vielmehr um eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Ökologie stand nur solange an erster Stelle, solange damit Profite zu erwirtschaften waren. Während die Tourismusbefürworter von einer Belebung von Notstandsregionen sprachen, befürchteten die Naturschützer eine nachhaltige Bedrohung für Fauna und Flora. Jeneidyllischen Buchten etwa, in denen die vom Aussterben bedrohten Lederschildkröten ihre Eier ablegten, waren in höchster Gefahr, seit Surfer das Areal als Eldorado erkoren hatten und zur potenziellen Gefahr für die Eiergelege geworden waren.
Ein Artikel einer deutschen Universität prangerte an, dass die Zeche für Billigobst in Deutschland von den costa-ricanischen Plantagenarbeitern teuer bezahlt wurde. Auf Ananas- und Bananenplantagen herrschten menschenverachtende Arbeitsbedingungen. „Der Einsatz großer Mengen von Pestiziden verseucht das Trinkwasser und führt zu schweren chronischen Erkrankungen. Nicht einmal einen Euro verdienen die Schwerarbeiter an einem Zwölf-Stunden-Tag“, las Clea vor. „So viel zu deinem Urwaldparadies …“
Paula musste zugeben, dass sie nicht einmal gewusst hatte, dass in Costa Rica Bananen angebaut wurden und schon gar nicht, unter welchen Bedingungen. „Und dann gibt es diese respektlosen Supermarktkunden, die alle Bananen im Sonderangebot betatschen, bevor sie sich endlich zum Kauf einiger weniger entschließen“, knurrte sie.
Clea zuckte mit den Schultern. „Was willst du? Jeder will für sich die perfekte Banane.“ Sie grinste. Dann wurde sie wieder ernst und fuhr fort: „Der Markt ist auf den Konsum ästhetisch perfekter Bananen getrimmt. Oder glaubst du, dass die Konsumenten eine Ahnung von den Giftmengen haben, die notwendig sind, damit die gelben Jausenpakete um den halben Erdball reisen können, ohne eine Delle zu bekommen? Und was die Ästhetik angeht, musst du nicht erst in die Ferne schweifen. Erinnere dich nur an die EU-Vorschrift zum Krümmungsgrad der Gurke, die bis vor Kurzem noch eingehalten werden musste. Und auch für andere Obst- und Gemüsesorten gab es jahrelang ähnliche Vermarktungsnormen“, predigte Clea und klickte einen weiteren Artikel an.
„Interessant“, murmelte sie.
„Worum geht es diesmal?“ Paula gähnte. Es war weit nach Mitternacht.
„Um den Goldabbau in Costa Rica.“
„Vielleicht sind sie deshalb wirtschaftlich so weit vorn?“
„Am Abbau verdienen nur die ausländischen Konzerne, die sich in den Ländern ansiedeln“, wies Clea sie zurecht. „Offiziell heißt es zwar immer, dass sie hunderte Arbeitsplätze schaffen, tatsächlich bleiben nur die gesundheitsgefährdenden Jobs für die Einheimischen übrig. Was zurückbleibt, sind Mondlandschaften, durch Cyanid und Quecksilber vergiftete Gebiete, wo niemand mehr leben kann. Es gibt keine Umweltstandards, keinen Schutz für die Bewohner dieser Regionen. Der Artikel berichtet von 182.000 Tonnen Cyanid, die weltweit in Goldminen verbraucht werden und zum Teil in die Umwelt gelangen.“
„Und in Costa Rica?“
„Da ist die Situation im Vergleich zu anderen mittelamerikanischen Ländern zwar besser, nur etwa fünf Prozent
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