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SCHLANGENWALD

Titel: SCHLANGENWALD Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Mayer-Zach
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tropischen Vögeln Ausschau, auf die das Buch ebenfalls hinwies. Doch Paulas ungeübte Augen konnten in dem unendlichen Grün nichts dergleichen entdecken. Während die anderen Gäste durch die Ferngläser blickten und entzückt über ihre Beobachtungen sprachen, starrte Paula auf dieselben Stellen. Doch bis auf Farne, Palmen und Seerosen sah sie nichts. Die einzigen Tiere, die sie ausmachen konnte, waren die Brüllaffen, die laut schreiend in den Bäumen turnten.
    An einer Stelle war der Fluss so seicht, dass die Mannschaft, bis auf den Kapitän, aussteigen und das Boot ziehen musste. Vorbei an anderen Booten, die, mit Kisten beladen, bereits im Sand feststeckten. Ihre Besatzungen lagen dösend an Deck und warteten, bis der Wasserspiegel wieder so weit angestiegen war, dass sie weiterfahren konnten. Paula bewunderte die Lethargie dieser Menschen. Wenn es in Wien Stau gab, dauerte es nicht lange, bis jemand die Nerven verlor und ein Hupkonzert die Folge war. Hier waren die Menschen scheinbar nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen.
    „Der Fluss versandet immer mehr“, erklärte der Kapitän in gebrochenem Englisch. „Wahrscheinlich liegt es am Klimawandel. Viele Wasserwege sind heute nur frei, weil immer wieder Sand abgetragen wird. Da schauen Sie …“ Er deutete auf einen Nebenarm des Flusses, wo so gut wie kein Wasser mehr zu sehen war. Nur stellenweise schimmerte es noch zwischen den dichten Ranken hindurch.
    Nach dem Abendessen stand das Beobachten von Krokodilen auf dem Programm. Alle saßen mucksmäuschenstill in dem Boot, das sich ohne Beleuchtung und ohne Motor den Weg durch das schwarze Wasser bahnte.
    An einigen Stellen schalteten die Männer der Besatzung immer wieder starke Scheinwerfer ein, um den Touristen Krokodile präsentieren zu können. Paula bekam gerade einmal ein kleines Tier zu sehen, das im grellen Lichtstrahl erstarrt liegen blieb.
    „Irgendwie erscheint mir das nicht die ideale Methode zu sein, um wilde Tiere in ihrem Lebensraum zu beobachten“, raunte ihr Sally zu, die sich mit einer Spezialkamera zu Paula gesetzt hatte, um – im Fall des Falles – fotografieren zu können. Ihre auffälligen, ovalen Brillen steckten wie ein Haarreifen in den wuscheligen, grauen Locken.
    Paula zuckte mit den Schultern. Diese Vorführmethode gefiel ihr auch nicht. Aber da waren einerseits die Reiseorganisatoren, die den Gästen etwas für deren Geld bieten und andererseits die Touristen, die etwas für ihr Geld haben wollten.
    Nach der Rückkehr spendierte Sally Bier für alle – Imperial la Cerveza de Costa Rica.
    „Wohin geht deine Reise noch?“, wollte die Amerikanerin von Paula wissen.
    „Übermorgen fliege ich in den Westen von Costa Rica, nach Tamarindo. “
    „ Tamarindo? Welch ein Zufall! Wir werden übernächste Woche auch dorthin fahren. Komm uns doch in der Pension besuchen.“ Sie gab Paula ein Stück Papier, auf dem eine Adresse stand.
    Das starke Bier hatte Paula müde gemacht. Zurück im Zimmer, sank sie aufs Bett und fiel bald darauf in einen unruhigen Schlaf.
    Gemeinsam mit Sally spazierte Paula durch einen lichtdurchfluteten Wald. Die Stämme der Bäume ragten in den blauen Himmel, auf dem Boden tanzten Sonnenflecken. Eine leise Brise strich durch die silbrig glänzenden Blätter. Auf einmalwurden die Pflanzen dichter, die Bäumstämme wuchtiger. Aus dem Boden sprossen Schlingpflanzen, die in unglaublicher Geschwindigkeit wuchsen und alles umrankten, was ihnen in den Weg kam. Sally versuchte mit den Armen die Pflanzenmauer zu durchdringen, aber binnen weniger Sekunden war der ganze Wald zugewuchert und Sally verschwunden. Alles um Paula herum wurde dunkel und bedrohlich. Schließlich krochen die Schlingpflanzen und Blätter an ihr hoch und sperrten ihr immer mehr die Luft ab. Paula versuchte verzweifelt sich zu befreien und fortzulaufen. Doch ihr linker Fuß hing fest, so sehr sie auch zog.
    Schweißgebadet schrak Paula aus dem Albtraum auf. Es dauerte eine Weile, bis sie realisierte, wo sie sich befand. Als sie das Licht einschaltete, sah sie eine fette Kröte, die auf der Bettdecke über ihrem linken Fuß saß.

Neun
    Montag
    1.
    Am Montagmorgen stieg Paula am Flughafen Juan Santamaría in die für sie gebuchte Propellermaschine und flog nach Playa Tamarindo auf der Halbinsel Nicoya. Obwohl sie zuerst Bedenken hatte, neben dem Piloten zu sitzen, und ihm dies mit ihren mittelmäßigen Spanischkenntnissen zu erklären versuchte, bestand dieser darauf, dass sie sich dorthin

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