SCHLANGENWALD
bisschen wie eine Festung“, entfuhr es Paula.
Kandin lächelte. Mit einem Handzeichen dankte er dem Wachmann, der den Schranken öffnete.
„Leider blieb uns keine andere Möglichkeit, als diese Mauer zu errichten. Wir hatten anfänglich Probleme mit aggressiven Naturschützern, die nicht einsehen wollten, dass das, was wir hier tun, gut für das Land, die Region und die Leute ist. Die Schäden, die sie nachts anrichteten, waren einfach zu groß und kosteten zu viel Geld.“
Sie fuhren eine breite Straße entlang, die von hohen Bäumen und Büschen gesäumt wurde. Tico World Boulevard stand auf einem Straßenschild. Alles wirkte sehr gepflegt. Paula hatte nichts anderes erwartet. Zwischen den Hecken blitzte hin und wieder weißes Gemäuer hervor. Wahrscheinlich die Bungalows, mutmaßte sie.
„Sie sehen, wir haben die Natur, so gut es ging, wieder in unser Projekt integriert. Viele Bäume und Pflanzen, die Sie in unserer Anlage sehen, waren größtenteils schon da, beziehungsweise wurden von uns wieder angepflanzt. Das war manchmal recht aufwendig, aber es hat sich gelohnt, wie man sieht.“
Paula fragte ihn nicht, wo die vielen Baumstämme entsorgt worden waren, die man darüber hinaus hatte fällen müssen, um ein derart riesiges Areal zu schaffen.
„Sobald der Ferienbetrieb losgeht, gilt natürlich auch ein Fahrverbot für Autos. Stattdessen setzen wir mehrere Bummelzüge ein, die durch die Anlage fahren und von den Gästen kostenlos benutzt werden können.“
Kandins Begeisterung war nicht zu überhören. Kein Wunder, dachte Paula, es war sein Projekt, gewissermaßen sein Baby, das er von Anfang an betreut und koordiniert hatte.
Kandin hatte ihr damals beim Abendessen erzählt, dass er bereits mehrere Monate vor Ort verbracht hatte und mittlerweile mit Land und Leuten sehr gut vertraut war.
Sie näherten sich einem weitläufigen Platz. Direkt vor ihnen lag ein pompöses Gebäude mit Türmen und Balkonen. Eine breite Treppe führte auf eine Terrasse. Der Bau erinnerte Paula stark an jene Walt-Disney-Architektur, die in allen Erlebnisparks rund um den Globus zu finden war. Links und rechts neben dem Schloss befanden sich einstöckige Gebäude mit Arkaden, die noch von Baugerüsten umgeben waren.
„Hier sehen Sie unsere Tico World Plaza . Das große Gebäude hier vorn ist das Hotel, das Castel Tico , wo sich zwei Restaurants, verschiedene Aufenthaltsräume, Kino, Festsäle und ein kleines Hallenbad befinden werden. Auf der Terrasse können die Urlaubsgäste essen und gleichzeitig den Vorführungen beiwohnen, die jeden Abend hier auf dem Platz stattfinden werden. In den Arkadenhäusern ringsum werden Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe untergebracht sein, wie zum Beispiel Boutiquen, wo neben Kleidern auch Strandwaren und der übliche Krimskrams verkauft werden. Ferner sind wir mit einem Friseur und einem Masseur im Gespräch, und es wird einen Lebensmittelmarkt, eine Wäscherei und einen großen Kinderspielraum geben. Aber genug für den Augenblick. Sie sind sicher müde von der Reise. Was halten Sie davon, wenn wir eine Pause einlegen und essen gehen?“
Paula hatte seit dem Frühstück nichts mehr zu sich genommen und nahm Kandins Vorschlag dankbar an. Sie stellten das Auto auf der Plaza ab und gingen über eine gewundene Straße hinauf zur Düne, wo sich ihnen ein grandioser Ausblick auf den Pazifischen Ozean bot. Das urige Restaurant, das Kandinansteuerte, passte perfekt in die idyllische Landschaft. Auf einer Steinterrasse standen einfache Tische und Stühle aus Holz. Darüber waren Planen gespannt, die die Gäste vor der direkten Sonneneinstrahlung schützten sollten. Der Wirt schien Kandin schon von Weitem gesehen zu haben, denn er kam ihnen mit raschen Schritten entgegen und begrüßte sie herzlich.
„Es gibt leider noch keine richtige Speisekarte, aber er könnte uns Koteletts braten und dazu gibt’s einen guisado picante, eine Art Gemüseeintopf. Wäre das für Sie in Ordnung?“, fragte Kandin, nachdem der Wirt sie zu einem Tisch mit Meerblick geleitet hatte.
Paula wäre mit allem Essbaren zufrieden gewesen. Hauptsache, es kam möglichst rasch.
Trotz knurrendem Magen genoss sie den Blick auf den unendlich scheinenden Pazifik und musste zugeben, dass sich die anstrengende Anreise gelohnt hatte. Was für ein wunderbarer Ort, dachte Paula und sog die frische Meeresbrise ein. Beizeiten würde sie Santo eine Ansichtskarte mit einem lieben Gruß schicken. Oder doch lieber eine E-Mail? Die
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