Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen
spielte ganz erträglich Billard und war ein guter Partner am Whisttisch. Jeder hatte ihn gern, und niemand hätte sich träumen lassen, ihn einmal mit Handschellen als Deserteur auf einem Bahnsteig zu sehen. Und doch geschah dieses traurige Wunder.
Nach Ablauf seines Urlaubs kam er von Dalhousie herab, – zu Pferde. Er hatte seinen Urlaub ausgedehnt, so weit es irgend ging, und hatte Eile. In Dalhousie war es schon recht warm gewesen, und da er wußte, was er in der Ebene zu erwarten hatte, ritt er in einem neuen, eng anliegenden Khakianzug in zartem Olivgrün, trug einen pfauenblauen Schlips, weißen Kragen und einen schneeweißen Tropenhelm. Er war stolz darauf, selbst auf scharfem Ritte elegant auszusehen. Und er sah in der Tat elegant aus. Aber er war bei seinem Aufbruch so in sein Äußeres vertieft gewesen, daß er ganz vergessen hatte, sich mehr als Kleingeld einzustecken. Seine Banknoten hatte er im Hotel gelassen. Seine Leute waren vorausgeritten, um ihn rechtzeitig in Pathankote mit frischen Sachen erwarten zu können. Er nannte das »in offener Marschordnung« reisen. Und er war stolz auf sein Organisationstalent.
Zweiundzwanzig Meilen hinter Dalhousie setzte der Regen ein. Es war kein leichter Gebirgsschauer, sondern ein richtigerleichter Passatregen. Golightly hastete vorwärts und wünschte sich in Besitz seines Regenschirmes. Der Staub auf den Wegen wurde zu Schlamm, und das Pony bespritzte sich über und über und auch Golightlys Khakigamaschen. Aber er ritt unentwegt weiter und suchte sich einzureden, daß die Regenkühle höchst angenehm sei.
Das nächste Pony war schon zu Anfang störrisch, und da Golightlys Hände vom Regen schlüpfrig unsicher waren, warf ihn das Pony an einer Wegbiegung ab. Erlief dem Tier nach, fing es wieder ein und ritt munter drauf los. Der Sturz hatte weder seinen Anzug noch seine Stimmung verschönt. Er hatte einen Sporn verloren, aber dafür brauchte er den anderen um so fleißiger. Auf dieser Etappe hatte das Pony mehr Bewegung, als ihm lieb war, und Golightly war trotz Regen in Schweiß gebadet. Nach einer weiteren qualvollen halben Stunde versank die Welt vor Golightlys Augen in einem dickflüssigen Brei. Der Regen hatte den Kopf seines riesigen, schneeweißen Tropenhelmes in einen übelduftenden Teig verwandelt, und er saß ihm auf dem Kopfe wie ein halboffener Pilz. Dazu lief das grüne Futter aus.
Golightly sagte etwas, das man nicht wiederzugeben braucht. Er riß ein Stück von der Krempe, daß die Augen wieder frei wurden und trottete weiter. Hinten klatschte ihm die Krempe gegen den Nacken, und an den Seiten gegen die Ohren. Aber Ledergurt und Futter hielten den Helm gerade noch so weit zusammen, daß er nicht völlig zerfloß.
Allmählich taute aus dem Helmbrei und dem grünen Futter ein Schleim, der sich nach allen Richtungen über Golightly ergoß, mit besonderer Vorliebe über Nacken und Brust. Auch die Khakifarbe lief aus, – sie war empörend unecht. Teilweise war Golightly braun, stellenweise violett; hier waren ockergelbe Ringe, dort rostbraune Streifen und schmutzigweiße Flecken, je nach der eigentümlichen Zusammensetzungder Farbstoffe. Als er sein Taschentuch herauszog, um sich das Gesicht trocken zu wischen, mischte sich das Grün des Helmfutters mit dem Blau seines Schlipses, das bis auf den Hals durchgesickert war. Die Wirkung war verblüffend.
In der Nähe von Dhar hörte der Regen auf, die Abendsonne brach durch und trocknete Golightly ein wenig; zugleich wurden auch die Farben fixiert. Drei Meilen vor Pathankote wurde das letzte Pony stocklahm, und Golightly mußte zu Fuß gehen. Er drang bis Pathankote vor, wo er seine Leute zu finden hoffte. Er ahnte noch nicht, daß sein indischer Kammerdiener sich unterwegs betrunken hatte und sich am kommenden Tage mit einer »Fußverrenkung« entschuldigen würde. In Pathankote konnte er seine Leute nicht auffinden. Seine Stiefel waren hart und kotig. Der ganze Mensch starrte von Schmutz. Und das Blau des Schlipses war nicht minder ausgelaufen als der Khaki. Er riß ihn sich mitsamt dem Kragen herunter und warf ihn fort. Darauf bemerkte er etwas über Dienstboten im allgemeinen und bemühte sich um ein Glas Whisky und Soda. Er zahlte für das Getränk acht Annas und entdeckte bei dieser Gelegenheit, daß er außerdem nur noch sechs Annas in der Tasche hatte, – und das hieß in seiner Lage, – völlig mittellos sein.
Er ging zum Stationsvorsteher, um mit ihm wegen einer Fahrkarte erster Klasse
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