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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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nach Khasak, seiner Garnison, zu verhandeln. Der Schalterbeamte sagte etwas zum Stationsvorsteher, der Stationsvorsteher etwas zum Telegraphisten, und alle drei starrten Golightly interessiert an. Sie forderten ihn auf, eine halbe Stunde zu warten, unterdessen wollten sie nach Umritsar um Ermächtigung telegraphieren. So mußte er denn warten. Vier Polizisten kamen und gruppierten sich malerisch um ihn. Als er sie gerade bitten wollte,sich zu entfernen, erschien der Stationsvorsteher wieder und sagte, er würde dem »Sahib« eine Fahrkarte aushändigen, wenn der »Sahib« so freundlich sein wollte, in den Schalterraum zu kommen. Golightly ging mit, und ehe er zur Besinnung kam, hatte er an jedem Arm und an jedem Bein einen Polizisten, während der Stationsvorsteher sich bemühte, ihm einen Postbeutel über den Kopf zu stülpen.
    Es gab eine tüchtige Balgerei durch den ganzen Schalterraum; Golightly fiel gegen einen Tisch und holte sich eine sehr unangenehme Wunde am Auge. Aber die Polizisten waren in der Übermacht und legten ihm mit Hilfe des Stationsvorstehers starke Handschellen an. Als der Postbeutel wieder entfernt war, sagte er ihnen die Meinung, und der Oberpolizist bemerkte: »Ohne Zweifel haben wir hier den englischen Soldaten vor uns, den wir suchen. Höret nur sein Fluchen!« Golightly fragte den Stationsvorsteher, was zum X und was zum U denn das bedeuten solle. Der Stationsvorsteher setzte ihm auseinander, er sei der »Gemeine John Binkle vom – Regiment,« fünf Fuß neun Zoll hoch, blond, graue Augen, verwahrlostes Äußere, Merkmale: keine besonderen,« der vor vierzehn Tagen desertiert sei. Golightly versuchte eine umständliche Erklärung zu geben, aber je mehr er erklärte, um so weniger Glauben fand er beim Stationsvorsteher. Der behauptete, ein Leutnant könne unmöglich so wüst aussehen, und er habe den Befehl, seinen Gefangenen unter genügender Bedeckung nach Umritsar zu schicken. Golightly fühlte sich nicht nur der Nässe wegen unbehaglich, und seine Reden sind selbst im Auszug nicht zur Veröffentlichung geeignet. Die vier Polizisten eskortierten ihn in einem Kupee dritter Klasse nach Umritsar, und er brachte die vierstündige Fahrt damit hin, so fließend zu schimpfen, wie es ihm seine Kenntnis der Landessprache irgend erlaubte.
    Auf dem Bahnsteig in Umritsar schob man ihn in die Arme eines Unteroffiziers und zweier Leute aus dem – Regiment. Golightly richtete sich auf und versuchte die Sache auf die leichte Achsel zu nehmen. Aber ihm war in seinen Handschellen mit vier Polizisten im Rücken und der gerinnenden Wunde im Gesicht gar nicht leicht zumute. Und der Unteroffizier war auch nicht zum Spaßen aufgelegt. »Es ist ein ganz lächerliches Versehen, Leute!«, weiter kam Golightly nicht. Denn der Unteroffizier befahl ihm, »das Maul zu halten und mitzukommen.« Aber Golightly wollte nicht mit, er wollte da bleiben und die Sache aufklären. Und er machte es in der Tat ausgezeichnet, bis der Unteroffizier ihn mit den Worten unterbrach: »Sie wollen ein Offizier sein? Von denen sind Sie einer, die uns Schande machen. Ein großartiger Offizier sind Sie. Ihr Regiment kennen wir. Die Katzen gehen bei Nacht den Geschwindschritt, den Sie marschieren. Ein Schandfleck sind Sie fürs ganze Heer!«
    Golightly hielt an sich und begann seine Erklärungen von neuem. Man bugsierte ihn aus dem Regen ins Wartezimmer und riet ihm, sich nicht noch lächerlicher zu machen. Man wollte ihn in die Festung nach Govindghar bringen; und solches »Gebracht werden« ist ebensowenig ehrenvoll wie eine Fahrt im »Grünen Wagen«.
    Wut, Frösteln, Mißverständnisse, Handschellen und Schmerz von der Kopfwunde machten Golightly fast hysterisch. Er gab sich wirklich die größte Mühe, das auszudrücken, was seine Seele bedrückte! Als er sich schließlich heiser geschrien hatte, sagte einer der Leute: »Ich habe schon manchen Kerl in Ketten fluchen hören, aber an unseren ›Offizier‹ hier kommt keiner ran.« Sie ärgerten sich gar nicht über ihn, sie bewunderten ihn eher. Im Wartezimmer gab es Bier, und sie boten Golightly etwas an, weil er so »dammich gut« geflucht hätte. Sie baten ihn, er möchte doch von den Herumtreibereiendes Gemeinen Binkle etwas zum besten geben. Das brachte Golightly in die äußerste Wut. Wenn er bei Besinnung geblieben wäre, dann hätte er ruhig die Ankunft des Offiziers abgewartet. Aber so versuchte er zu entweichen.
    Allein der Kolben eines Martinigewehres im Kreuz tut gehörig

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