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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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jeden, als Gast am Regimentstisch von Parforce-Märschen oder Distanzritten zu reden. Die Offiziere sind ungemein empfindlich, und werden das jedem, der sie, ihrer Meinung nach, auslacht, auch zu verstehen geben.
    Wie die Weißen Husaren behaupten, ist der Regimentskommandeur an allem schuld. Er war ein neuer und hätte das Kommando niemals übernehmen dürfen. Er behauptete,das Regiment sei ihm nicht schneidig genug. Das mußte den Weißen Husaren passieren, von allen Regimentern der Welt den Weißen Husaren, die wußten, daß sie jede Truppe auf Gottes Erdboden – Kavallerie, Artillerie oder Infanterie – über–, nieder– und in Stücke reiten konnten. Diese Beleidigung war das erste, das sie ihrem Kommandeur übelnahmen.
    Dann kassierte er das Paukenpferd – das Paukenpferd der Weißen Husaren! Vielleicht begreift man im ersten Augenblick nicht das unsagbare Verbrechen, das er damit beging. Die Seele eines jeden Regiments lebt in dem Paukenpferd, das die silbernen Kesselpauken trägt. Es ist fast immer ein großer, scheckiger Wallach. Letzteres ist Ehrensache, und jedes Regiment ist bereit, jede beliebige Summe auf einen Schecken zu verwenden. Der jedoch ist dann über die gewöhnlichen Gesetze der Kassation erhaben und seines Wohlergehens sicher, so lange er ausrücken kann und dem Regiment Ehre macht. Er versteht zuletzt auch mehr von Regimentssachen als der Adjutant selbst und könnte, auch wenn er es wollte, keinen Fehler mehr begehen.
    Das Paukenpferd der Weißen Husaren war erst achtzehn Jahre alt und allen seinen Pflichten noch vollauf gewachsen. Von rechtswegen stand ihm noch eine sechsjährige Dienstzeit bevor, und es bewegte sich mit dem Pomp und der Würde eines Tambour–Majors von der Garde. Das Regiment hatte 1200 Rupien dafür bezahlt.
    Aber der Oberst erklärte, der Gaul hätte zu verschwinden und so wurde er in aller Form kassiert und durch einen verwaschenen Fuchs ersetzt, der so häßlich wie ein Maultier war, und den Hals eines Schafs, einen Rattenschwanz und die Häcksen einer Kuh hatte. Der Trommler haßte das Vieh, und die besseren Pferde von der Regimentskapelle legten ihre Ohren zurück und zeigten ihm das Weiße ihrerAugen, wann immer sie es zu Gesicht bekamen. Sie hatten es auf den ersten Blick als Emporkömmling und Plebejer erkannt. Ich glaube, des Obersten Schneid erstreckte sich auch auf die Regimentskapelle, und er wünschte, daß sie an den regulären Parade–Manövern teilnähme. Eine Kavallerie–Kapelle jedoch ist heilig. Sie rückte nur bei Paraden vor dem Höchstkommandierenden aus, und der Regimentskapellmeister ist eine Persönlichkeit, noch um einen Grad bedeutender als der Oberst selbst. Er ist ein Hohepriester, und das »Keel Row« ist sein heiliger Gesang. Das »Keel Row« ist die Melodie für den Parademarsch im Trab, und wer seine Klänge nicht laut und schrill das Getrappel des beim Salut vorbeitrabenden Regiments hat übertönen hören, dem stehen noch einige akustische und seelische Erfahrungen bevor.
    Als der Oberst das Paukenpferd der Weißen Husaren kassierte, hätte es beinah eine Meuterei gegeben.
    Das Offizierskorps war böse, das Regiment wütend und die Kapelle fluchte ... wie eben nur Kavalleristen fluchen können. Das Paukenpferd sollte versteigert – öffentlich versteigert werden, damit womöglich ein Parse es kaufte und vor einen Karren spannte! Das war schlimmer, als hätte man die internen Angelegenheiten des Regiments vor aller Welt bloßgelegt oder das Kasinosilber einem Juden – einem schwarzen Juden – verkauft!
    Der Oberst war ein kleinlicher Mann und ein Tyrann. Er wußte, wie das Regiment über sein Verhalten dachte; als dann gar die Mannschaft sich erbot, das Paukenpferd zu kaufen, erklärte er, ihr Vorhaben grenze an Meuterei und sei reglementswidrig.
    Aber einer der Leutnants – Hogan-Yale, ein Irländer – erstand das Paukenpferd bei der Auktion für einhundertsechzig Rupien, und der Oberst tobte. Yale heuchelteReue – er war unnatürlich gefügig – und erklärte, er hätte das Pferd nur gekauft um es vor eventuellen Mißhandlungen und dem Hungertode zu retten; er würde es auf der Stelle erschießen und damit der Sache ein Ende machen. Das schien den Obersten zu beruhigen, denn er wollte, daß das Paukenpferd aus der Welt geschafft würde. Er fühlte, er hatte einen Fehler begangen, konnte das aber selbstverständlich nicht zugeben. Inzwischen irritierte ihn die Gegenwart des Paukenpferdes.
    Yale holte sich ein Glas des

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