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Schlimmes Ende

Titel: Schlimmes Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Ardagh
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Er blickte durch das offene Fenster des Wagenschlags und sah, dass die eine Seite der Kutsche völlig leer war, während sich auf der anderen Seite drei Gestalten und ein ausgestopftes Wiesel drängten.
    Er musterte das ausgestopfte Tier auf dem Schoß der Wahnsinnigen Tante Maud. »Sally, nehme ich an«, sagte er.
    »Maud«, sagte Maud.
    »Bitte vielmals um Entschuldigung«, sagte der Greifer. »Ich bezog mich auf Ihr Wiesel.«
    »Er heißt Malcolm«, sagte die Wahnsinnige Tante Maud.
    Eddie bemerkte, wie der Greifer eine Augenbraue hob, und diese einfache, gelupfte Augenbraue schien zu sagen: »Hier ist eine Gruppe von Menschen, die ihre Geschichte nicht richtig drauf hat. Die führen doch was im Schilde. Die haben doch was zu verbergen.« Was natürlich der Polizist nicht wissen konnte, war, dass der Wahnsinnige Onkel Jack wahnsinnig war und immer »Sally« zu Malcolm sagte. Oder vielleicht war es anders herum? Vielleicht war die Wahnsinnige Tante Maud wahnsinnig und sagte immer »Malcolm« zu Sally. Vielleicht waren beide wahnsinnig, und das Wiesel hieß gar nicht Sally oder Malcolm, sondern Cornelius oder Edna?

    »Verstehe«, sagte der Greifer langsam. »Und wer mögen Sie wohl sein, Sir?«
    »Ich«, sagte Mr Pumblesnook, streckte die Brust heraus und wirkte ganz großartig, »bin die Kaiserin von Ganzchina.«
    Ihr könnt euch wahrscheinlich denken, was passiert war. Während wir uns dem Geschehen außerhalb der Kutsche mit dem Wahnsinnigen Onkel Jack und dem Greifer widmeten, hatten Eddie, Mr Pumblesnook und die Wahnsinnige Tante Maud nicht schweigend dagesessen, bis sie wieder an der Reihe waren. So ist das Leben nicht. Sie redeten nämlich weiter…, und zur selben Zeit, zu der Eddie eingewilligt hatte, nicht aus seiner Rolle als Waisenknabe zu fallen, hatte der Theaterdirektor eingewilligt, die Rolle der Kaiserin von Ganzchina zu spielen…, worin er auch sehr gut war.
    Nur weil er es mit einem Gesetzesvertreter zu tun hatte, ließ doch ein Mr Pumblesnook ein Ehrenwort nicht Ehrenwort sein und wurde wieder Mr Pumblesnook. Er hatte versprochen, die Kaiserin von Ganzchina zu spielen, also blieb es dabei, und er blieb die Kaiserin von Ganzchina.

    Sein Publikum umfasste lediglich den Greifer, den Wahnsinnigen Onkel Jack, der diesem über die Schulter spähte, die Wahnsinnige Tante Maud und ihr Wiesel und Eddie, den Waisenknaben, aber sie waren ein Publikum -, und diese überfüllte Bank war seine Bühne.
    »Ich bin die Kaiserin von Ganzchina«, wiederholte Mr Pumblesnook. Man sollte anmerken, dass China damals, obschon räumlich nicht weiter weg als heute, zeitlich viel weiter entfernt war.
    Heute kann man in ein Flugzeug springen und nach China fliegen oder man kann Land und Leute im Fernsehen betrachten. Damals waren wenige Menschen schon mal in China gewesen und hatten einen Chinesen oder eine Chinesin kennen gelernt. Nachdem ich das gesagt habe, ist klar, dass sogar der Greifer nicht annehmen konnte, dass dieser Mann die Kaiserin von China war. Dieser Mann war ein Lügner.
    »Verstehe«, sagte der Greifer. Bisher hatte er es mit einem Kutschenkutscher zu tun gehabt, der versucht hatte, ihn zum Narren zu halten, indem er ihm einen getrockneten Zitteraal zahlen wollte, mit einem Wiesel namens Sally, welches vorgab, ein Wiesel namens Malcolm zu sein, mit einer Frau, die behauptete, »Maud« zu heißen, mit einem erwachsenen Mann, der vorgab, eine chinesische Frau zu sein…, womit nur noch ein Junge mit blutüberströmtem Gesicht übrig blieb, der seine Nase mit einem Taschentuch betupfte.
    Der Greifer zog ein Notizbuch aus seiner Brusttasche und las, was er nur wenige Stunden zuvor anlässlich seines Besuchs im Sankt-Fürchterlich-Heim niedergeschrieben hatte:
    Der Fehlente Weissenknabe ein böser Junge Entkahm durch ein Zerbrochenes Fenßter. S Befannt Sich Blut auf dem Glaß und Er mus Sich geschnitten Haben.
    Es befand sich Blut auf dem zerbrochenen Glas…, und es befand sich Blut auf dem Gesicht dieses Jungen, der sich zwischen zwei massigen Erwachsenen zu verstecken versuchte.
    »Und wer, wenn ich fragen darf, bist du?«, fragte der Greifer Eddie. »Der Zar von Russland? Die Königin von Saba?«
    Eddie schluckte. »Nein, Sir«, sagte er und versuchte, so verwaist wie möglich zu klingen. »Ich bin ein armer kleiner Waisenknabe.«
    Der Greifer beugte sich in die Kutsche hinein, ergriff Eddie am Kragen und riss ihn mit einem flinken Ruck hinaus auf die Straße.
    »Hab ich dich!«, sagte der Greifer mit

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