Schloss der Liebe
Severin ließ seine Hand in das Innere seines Mantels gleiten und zog den Marder hervor. Sanft drückte er das Tier an seine Wange und rieb sein Gesicht an dem weichen Fell. »Nein, meinen Handschuh kannst du nicht essen. Ich gebe dir Schweinebraten.« Er schaute Graelam an. »Seine Artgenossen fressen kaum etwas anderes als Ratten, Mäuse und Hühner, aber als ich letztes Jahr in Rouen in Gefangenschaft geriet und in Louis de Mellifonts Kerker geworfen wurde, bekam er mehr Ratten zum Abendessen, als ein ganzer Stall von Mardern verdauen könnte. Er musste sie nicht einmal jagen. Alles was er tun musste war zu warten, bis eine vorbeikam, sie zu töten und zu fressen. Nachdem ich entkommen war, hat er nie wieder eine Ratte angerührt. Ich dachte schon, er würde verhungern, aber dann begann er Gefallen an Eiern und Schweinefleisch zu finden. So seltsam es ist, es bekommt ihm ausgezeichnet und er wird täglich dicker.«
»Vorhin hat er seinen Kopf kurz aus Eurem Mantel gesteckt«, sagte Graelam. »Aber Fawke von Trents Schlafzimmer schien ihm nicht geheuer zu sein. Er hat sich sofort wieder unsichtbar gemacht.«
»Der Geruch von Krankheit und Tod im Kerker hat tiefe Spuren hinterlassen. Nur wenige von uns haben überlebt.«
»Dafür soll er nun so viel Gebratenes haben, wie er nur mag.« Graelam hielt einen Moment auf der Wendeltreppe inne. »Severin, ich kenne Fawke und Hastings seit bald zehn Jahren. Hastings war immer schon ein aufgewecktes kleines Mädchen und hat sich gut entwickelt. Sie weiß viel über Kräuter und hat sich im Lauf der Jahre in der Heilkunst vervollkommnet. Sie ist klug und freundlich. Und nicht wie ihre Mutter. Als Erbin von Oxborough wird sie ihre Rolle standesgemäß erfüllen. Versprecht mir, dass Ihr sie gut behandeln werdet.«
Mit ausdrucksloser, kalter Stimme antwortete Severin: »Es ist mehr als genug, dass ich sie zur Frau nehme. Ich werde sie vor den Aasgeiern beschützen, die bereits auf dem Weg hierher sind und nur auf den Tod des Alten warten, damit sie kommen und sie verschleppen können. Das ist alles, was ich verspreche, das - und dass ich mit ihr Söhne zeugen werde.«
»Wäret Ihr nicht zu ihrem Ehemann erwählt worden, müsstet Ihr euch als Vasall eines anderen verdingen. Ihr wäret zwar noch Baron Louges, aber müsstet Zusehen, wie Euer Land erkaltet und verkrustet, weil Ihr keine Männer hättet, die es bestellen.«
»Es ist bereits kalt und hart. Von meinem Land ist nichts mehr übrig.«
»Ihr werdet genug Geld haben, um Eure Ländereien wieder zum Blühen zu bringen. Hastings kann Euch dabei zur Seite stehen. Sie wird Oxborough wohl verwalten, während ihr Eure anderen Güter besucht.«
»Meine Mutter ist nie im Stand gewesen, irgendetwas zu verwalten. Bei meiner Rückkehr nach Langthorne fand ich sie völlig verwahrlost und halb verhungert vor. Sogar vor dem Sonnenlicht hat sie sich gefürchtet. Ich weiß nicht einmal, ob sie mich überhaupt erkannt hat. Sie ist nichts als eine Frau, mit dem Verstand einer Frau, und in diesem Verstand wüten nun die Dämonen. Sie ist verrückt, Graelam. Sie wäre völlig unfähig, die Geschicke Langthornes zu lenken. Alles, was sie fertigbringt, ist zu jammern und sich in ihren eigenen Exkrementen zu wälzen. Warum sollte ich von Hastings etwas anderes erwarten? Oder von irgendeiner anderen Frau? Was meint Ihr damit, sie ist nicht wie ihre Mutter?«
»Ihre Mutter war eine treulose Frau. Fawke fand heraus, dass sie ihn mit dem Falkner betrogen hatte. Er ließ sie zu Tode peitschen. Hastings ist nicht wie ihre Mutter.« Er dachte an das Mädchen, das Severin einst hatte heiraten wollen, diese Marjorie. Vor langer Zeit hatte er von ihr erzählt, mit kaum verhohlener, trostloser Wehmut. Ob er von ihr wohl ebenso gering dachte?
»Wir werden sehen.«
Severin war hart, aber nicht ungerecht, zumindest nicht im Umgang mit seinem eigenen Geschlecht. Graelam wusste, dass er nichts mehr tun konnte. Er vermisste seine Frau und seine Söhne. Sobald die beiden jungen Leute verheiratet waren, wollte er aufbrechen. Tief in seinem Herzen hoffte er, Hastings würde die Wahl ihres Vater billigen, aber spielte das wirklich eine Rolle?
Kapitel Zwei
Burg Sedgewick
Richard de Luci starrte auf die Spuren von Erbrochenem auf dem Nachthemd seiner Frau. Inständig wünschte er, es wäre ein Totenhemd. Verdammt, wie lange würde sie denn noch brauchen, um zu sterben? Sie stöhnte, bäumte sich auf. Die Qualen, die sie ausstand, ließen die erschlaffte
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