Schloß Gripsholm
zu mir herübersahen, fühlte ich, daß es etwas Freundliches gewesen sein mußte. Ich vergaß, daß ich Billie begehrt hatte, und flüchtete zu der Prinzessin.
In Gripsholm meldeten wir Zürich an.
3
»Da liegt sozusagen die Sittlichkeit mit der Moral im Streite«, sagte die Prinzessin, und wir lachten noch, als wir uns an den großen Tisch in unserm Zimmer setzten. Die Schloßfrau hatte Billie auseinandergesetzt, es wäre gar nicht wahr, daß »alle Schweden immer nackt badeten«, wie man so oft sagen hörte. Gewiß, manchmal, in den Klippen, wenn sie unter sich wären... aber im übrigen wären es Leute wie alle andern auch, wenig wild nach irgendeiner Richtung, es sei denn, daß sie gern Geld ausgäben, wenn einer zusähe.
Draußen fiel der Regen in perlenden Schnüren.
»Das ist aber ein fröhlicher Regen«, sagte Billie. Das war er auch. Er rauschte kräftig, oben am Himmel zogen schwarz-braune Wolken rasch dahin, vielleicht waren nur wir es, die so fröhlich waren, trotz alledem. Das war schön, hier in der trockenen Stube zu sitzen und zu sprechen. Was hatte Billie für ein Parfüm? »Billie, was haben Sie für ein Parfüm?« Die Prinzessin schnupperte. »Sie hat sich etwas zusammengegossen«, sagte sie. Billie wurde eine Spur rot schien mir das nur so? »Ja, ich habe gepanscht. Ich mache mir da immer so etwas zurecht...«, aber sie sagte die Namen nicht.
»Billie, hilf mir mal – kannst du das? Guck mal!« Die Prinzessin löste seit gestern an einem schweren Silbenrätsel herum. »Ich habe hier: Hochland in Asien... doch, das habe ich. Aber hier: Orientalischer Männername... Wendriner? Nein, das kann ja wohl nicht stimmen – Katzenellenbogen...? Auch nicht... Fritzchen! Sag du!« – »Wie heißt er denn nun eigentlich?« fragte Billie entrüstet. »Mal sagst du Peter zu ihm und mal Daddy und jetzt wieder Fritzchen...!« – »Er heißt Ku-ert...«, sagte die Prinzessin. »Ku-ert... Dascha gah kein Nomen – wenn hei noch Fänenand oder Ullrich heiten deer, as Bürgermeister sinen!« Verachtung auf der ganzen Linie. Aber nun war Billies Bildungsdrang gereizt; die beiden Köpfe beugten sich über das Zeitungsblatt. Ich saß faul daneben und sah zu. Und da, so vor den beiden... Kikeriki – machte es in mir ganz leise, Kikeriki... Sie tuschelten und kuderten vor Lachen. Ich zog an der neuen Pfeife, die nun schon ein wenig angeraucht war, und saß mit einer Miene da, die gutmütige Männerüberlegenheit andeuten sollte. Eben hatte Billie etwas gesagt, was man bei einigermaßen ausschweifender Phantasie auch sehr zweideutig nehmen konnte, die Prinzessin sandte mir blitzschnell einen Blick herüber: Es war wie Einverständnis zwischen Verschworenen. Nachtverschworene... Am Tage wurde fast nie von der Nacht gesprochen – aber die Nacht war im Tag, und der Tag war in der Nacht. »Liebst du mich noch?« steht in den alten Geschichten. Erst dann – erst dann!
Sie warfen das Rätsel hin. »Wir wollen es nach dem Abendbrot noch einmal versuchen«, sagte Billie. »Schlaft ihr hier eigentlich gut ein? Ich muß mich sonst immer in Schlaf lesen – aber hier geht es so schnell...« – »Du mußt es machen wie die Baronin Firks«, sagte die Prinzessin. »Die Baronin Firks war natürlich aus Kurland, und die Kurländer, das sind die Apotheker Europas –: sie haben alle einen leichten Klaps. Und wenn die alte Dame nachts nicht einschlafen konnte, dann setzte sie sich auf ein Schaukelpferd und schaukelte so lange, bis... Ja? Was ist?« Es hatte geklopft. Ein Kopf in der Tür. »Das Telephon? Zürich!« Wir liefen alle drei.
Kleiner Kampf am Apparat. »Laß mich ... kannste da nich mal weggehn... Harre Gott... Laß mich doch mal!« Ich.
»Hallo!« Nichts. Wie immer bei Ferngesprächen: erst nichts. Man hörte es in der Membrane leise surren. Diese Geräusche sind je nach den Ländern, in die man telephoniert, verschieden; aus Frankreich zum Beispiel läuft ein silberhelles Gewässer durch die Drähte, und man bekommt solche Sehnsucht nach Paris... Hier surrte es. Sie hatten wohl wegen der politischen Konferenzen neue Kupferdrähte nach der Schweiz... »Mariefred? Bitte melden Sie sich!« – Und dann deutlich, aber leise eine klagende Stimme. Frau Collin.
»Hier ist Frau Collin. Sie haben mir geschrieben? Wie geht es denn Ada?« – »Ich will Sie nicht beunruhigen – aber sie muß da heraus.« – »Ja, warum denn? Um Gottes –« – »Nein, mit der Gesundheit ist das Kind in Ordnung. Aber ich schreibe Ihnen
Weitere Kostenlose Bücher