Schluessel zur Hoelle
altersloses Gesicht und seltsam düster und nachdenklich dreinblickende Augen.
»Da bin ich«, sagte Chavasse leise.
Der Chef drehte sich um und musterte Chavasse mit seinen dunklen Augen. Er nickte. »Schön, daß Sie heil herausgekommen sind, Paul. Die Zustände dort drüben sollen nicht gerade erfreulich sein?«
»Das kann man wohl sagen.«
Der Chef ging zu seinem Sessel und setzte sich. »Erzählen Sie.«
Chavasse zuckte die Achseln. »Ich fürchte, in Albanien wird für uns nicht viel zu machen sein. Kein Mensch kann behaupten, daß die Leute viel gewonnen haben, seit die Kommunisten bei Kriegsende die Macht übernahmen. Doch eine Konterrevolution wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Sigurmi, die Geheimpolizei, hat ihre Augen überall. Sie dürfte die bestorganisierte Europas sein.«
»Sie sind mit dieser Freundschaftsdelegation der italienischen Kommunisten hingefahren, nicht?«
»Das hat mir nicht viel genützt. Die Sigurmi haben, sowie wir in Tirana eintrafen, sofort auf jeden von uns einen Agenten angesetzt, und diese Burschen verstanden sich auf ihr Handwerk. Es war äußerst schwierig, sie abzuschütteln, und als es mir gelang, rochen sie sofort Lunte und leiteten eine Großfahndung nach mir ein.«
»Wie steht es mit der Freiheitspartei? Wie stark ist sie eigentlich?«
»Die existiert seit vergangener Woche praktisch nicht mehr. Als ich eintraf, war sie auf zwei Zellen zusammengeschmolzen – eine in Tirana, der Hauptstadt, und eine in Skutari. Beide waren noch in Kontakt mit unserer S2-Zentrale hier in Rom.«
»Konnten Sie mit ihrem Anführer, diesem Luci, sprechen?«
»Nur kurz. An dem Abend, an dem wir uns treffen und eingehend unterhalten wollten, wurde er von den Sigurmi verhaftet. Offenbar haben sie sein Haus besetzt und auf mich gewartet.«
»Wie – wie haben Sie davon erfahren?«
»Luci verständigte über Funk die Zelle in Skutari, als die Polizei bei ihm eindrang. Und die Leute in Skutari gaben die Meldung an unsere S2-Zentrale hier in Rom weiter. Zum Glück hatte dort gerade ein Mädchen Dienst, das schnell schaltete – eine gewisse Francesca Minetti.«
»Eine unserer besten Mitarbeiterinnen«, sagte der Chef. »Ich muß Ihnen bei nächster Gelegenheit mal mehr über sie erzählen.«
»Entwischt bin ich aus Albanien mit der Buona Esperanza, einem Motorboot, das einem Mann namens Giulio Orsini gehört. Ein toller Bursche. Während des Krieges war er ein Kampfschwimmer bei der italienischen Marine – eins von diesen menschlichen Torpedos. Sein Meisterstück war die Versenkung mehrerer unserer Zerstörer im Hafen von Alexandria im Jahr 1941. Heute ist er Schmuggler und fährt ziemlich oft nach Albanien. Seine Großmutter stammte von dort.«
»Soviel ich mich erinnere, sollte er drei Nächte in einer Bucht in der Nähe von Dürres warten. Das liegt etwa fünfzig Kilometer von Tirana, nicht?«
Chavasse nickte. »Als Francesca Minetti die Meldung aus Skutari erhielt, verständigte sie Orsini auf seinem Boot. Der ging an Land, stahl in Dürres ein Auto und raste nach Tirana. Er erwischte mich noch im letzten Moment im Hotel. Ich wollte zu Luci gehen.«
»Es war sicher nicht einfach, sich bis zur Küste durchzuschlagen.«
»Wir hatten eine Panne und mußten die letzten zehn Kilometer zu Fuß laufen. Sobald wir an Bord der Buona Esperanza waren, ging alles glatt. Die albanische Marine ist kaum der Rede wert: ein halbes Dutzend Minensucher und ein paar U-Boot-Jäger. Alle zehn Knoten langsamer als die Buona Esperanza.«
»Dieser Orsini scheint sich eine ordentliche Prämie verdient zu haben?«
»Das will ich meinen.«
Der Chef nickte, schlug die Akte mit Chavasses Bericht auf und blätterte ihn durch. »In Albanien ist also im Moment nicht viel zu machen?«
Chavasse schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, nein. Sie wissen ja, wie die Dinge seit dem 20. Parteitag 1956 gelaufen sind. Die Chinesen haben die Zügel fest in der Hand.«
»Besteht irgendwie Anlaß zur Besorgnis?« »Kaum«, sagte Chavasse. »Es ist das rückständigste Land Europas, das ich je gesehen habe, und die Chinesen können nicht viel damit anfangen. Es liegt zu weit von China entfernt.«
»Was ist mit diesem Marinestützpunkt, den die Russen bei Valona errichteten, bevor sie sich zurückzogen? Angeblich wollten sie ihn doch zu einer Art rotem Gibraltar im Adriatischen Meer ausbauen.«
»Alb-Tourist hat am zweiten Tag für
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