Schluessel zur Hoelle
so fest ins Gesicht, daß er vom Pier stürzte. Der andere sprang fluchend auf ihn zu. Ein Messer glitzerte in seiner rechten Hand.
Chavasse sah den schwarzen Bart, die funkelnden Augen und die seltsame hakenförmige Narbe auf seiner rechten Wange; dann schlug er dem Mann seine Mütze ins Gesicht und rammte ihm das Knie in den Bauch. Der Mann wand sich, nach Luft ringend, auf dem Boden, und Chavasse versetzte ihm einen wohlgezielten Fußtritt gegen den Kopf.
Er hörte im Wasser unterhalb des Piers lautes Plätschern, und als er an den Rand trat, sah er den ersten Mann eilig ins Dunkel davonschwimmen. Chavasse blickte ihm nach, bis er verschwunden war; dann wandte er sich der Frau zu.
Sie stand in einem dunklen Haustor. Er ging zu ihr und fragte: »Sind Sie okay?«
»Ich glaube schon«, erwiderte sie mit einer Stimme, die ihm irgendwie bekannt vorkam. Sie trat aus dem Schatten hervor.
Chavasse riß erstaunt die Augen auf. »Francesca – Francesca Minetti. Was, um Himmels willen, machen Sie denn hier?«
Ihr Kleid war vom Hals bis zur Hüfte aufgerissen, und sie hielt es, das Gesicht zu einem leisen Lächeln verzogen, zusammen. »Wir wollten uns doch vor einer Woche auf der Terrasse der Botschaft treffen. Warum haben Sie mich versetzt?«
»Mir ist was dazwischengekommen«, sagte er. »Das passiert bei mir öfter. Aber was machen Sie mitten in der Nacht im Hafen von Matano?«
Sie schwankte, und er fing sie gerade noch rechtzeitig auf und drückte sie einen Moment an sich. Sie hob den Kopf und lächelte mühsam.
»Entschuldigen Sie, aber mir wurde plötzlich so schwindlig.«
»Haben Sie einen weiten Weg?«
Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Mein Wagen steht hier irgendwo in der Nähe, aber in dem Nebel sehen alle Straßen gleich aus.«
»Am besten, Sie kommen mit in mein Hotel«, sagte er. »Es ist gleich um die Ecke.« Er zog seine Jacke aus und legte sie ihr um die Schultern. »Es wird sich sicherlich ein Bett für Sie finden.«
Sie lachte auf, und einen Moment lang war sie wieder das fröhliche, übermütige Mädchen, das er auf dem Botschaftsball kennengelernt hatte.
»Davon bin ich überzeugt.«
Er grinste und legte den Arm um sie. »Ich glaube, Aufregung haben Sie heute nacht schon genug gehabt.«
Hinter ihnen scharrte ein Schuh über die Pflastersteine. Er fuhr herum und sah, daß der andere Mann, die Hände vor dem zerschlagenen Gesicht, durch den Nebel davonschwankte.
Chavasse wollte ihm nachlaufen, doch Francesca hielt ihn am Ärmel fest. »Lassen Sie ihn. Ich möchte nicht die Polizei hineinziehen.«
Er blickte auf ihr gespanntes, ängstliches Gesicht nieder und runzelte die Stirn. »Meinetwegen. Wie Sie wollen, Francesca.« Er hatte ein merkwürdiges Gefühl; irgendwie gefiel ihm das Ganze nicht. Sie gingen den Pier entlang und bogen in die Straße ein, an der das Hotel lag. Für eine Hafenstadt war Matano ungewöhnlich friedlich, doch nicht so friedlich, daß junge hübsche Mädchen um drei Uhr nachts im Dockviertel Spazierengehen konnten, ohne unbehelligt zu bleiben. Eins stand jedenfalls fest: Francesca Minetti mußte aus einem ganz besonderen Grund hier sein.
Das Hotel war ein kleines, stuckverziertes Eckgebäude mit einer uralten Leuchtreklame über dem Eingang, doch es war sauber und billig, und das Essen war gut. Der Besitzer war ein Freund von Orsini.
Er saß schlafend, den Kopf auf die Hände gestützt, hinter dem Empfangspult, und Chavasse nahm, ohne ihn zu wecken, den Schlüssel vom Brett. Sie durchquerten das Foyer, stiegen eine schmale Holztreppe hinauf und gingen einen langen weißgetünchten Korridor hinunter.
Das Zimmer war einfach möbliert – es enthielt ein Messingbett, einen Waschtisch und einen Kleiderschrank. Wie im ganzen Hotel waren die Wände gekalkt und der Fußboden auf Hochglanz poliert.
Francesca blieb neben der Tür stehen und sah sich, mit der einen Hand ihr Kleid zusammenhaltend, beifällig um.
»Hübsch«, sagte sie. »Sind Sie schon lange hier?«
»Fast eine Woche. Mein erster Urlaub seit über einem Jahr.«
Er öffnete den Schrank, wühlte zwischen seinen Sachen herum und zog schließlich einen schwarzen Rollkragenpullover hervor. »Probieren Sie ihn an. Ich mache Ihnen inzwischen einen Drink – Sie sehen aus, als ob Sie einen vertragen könnten.«
Sie wandte sich ab und zog den Pullover über den Kopf, während er zu einem kleinen Schrank in der anderen Ecke
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