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Schmerzspuren

Titel: Schmerzspuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Erst denke ich, sie grüßt. Dann fühlt es sich an, als wolle sie mich wegscheuchen. Vielleicht war da eine Wespe.
    Unser Repertoire wird immer größer. Gestern Nachmittag war ich noch mal an der Skaterhalle. Die Typen waren Gott sei Dank nicht da. Ich hab das Board vor derTür geparkt und die Kuhglocke abgenommen. Max macht sich
ganz gut damit. Er trifft nicht immer den Rhythmus. Aber es wird.
    Wir sind schon fast fertig, wollen noch einen Song anspielen, als Tom plötzlich sagt: »Da wär noch was.«
    Er scharrt mit seinem Fuß wie ein suchendes Huhn. Benny tritt ohne Sinn und Verstand seine Effektgeräte.
    »Benny und ich haben auch mal was aufgeschrieben«, schiebt Tom nach.
    »Er kramt ein paar Zettel aus seiner Hosentasche, verteilt sie. Ich kann die krakelige Schrift kaum lesen.
    Jetzt sind wir am Zug.
Vorbei der Betrug.
Jetzt kommt unsere Zeit.
Und wir sind bereit.
     
    Ihr habt uns lange bequatscht.
So viele Worte.
Ihr habt uns lange belagert
An so vielen Orten.
     
    Ihr wolltet immer alles wissen.
Keine Frage war tabu.
Ihr habt uns mit Fragen gequält.
Die Tür ist jetzt zu.
     
    Ihr habt uns die Luft genommen.
Diese Stille in mir.
Ihr habt uns im Weg nur gestanden.
Ich war nicht bei mir.
    Ich kann mir den Song sofort vorstellen. Wütend und laut. Ein bisschen verzweifelt oder frustriert auch. Natürlich ist er noch nicht fertig. Aber die Message ist gut, genau das, was wir suchen. Das sind wir. Tom und Benny sehen echt ein bisschen nervös aus. Ein bisschen verschämt sogar. Ich springe auf.
    »Das ist geil!«, brülle ich.
    Spontan stehen wir vier plötzlich im Kreis. Die Arme auf den Schultern und brüllen durcheinander. Ich weiß gar nicht, wessen Hände da auf meinem Oberarm ruhen. Es ist so nah, so fest. Ich halte die Luft an. Es soll nicht aufhören. Nie. Lea steht grinsend in der Tür.
    »Passt auf, dass euch nicht schwindelig wird«, brüllt sie irgendwann und ist raus.
     
    Meine Mutter sieht aus, als wäre sie in einen Regenbogen gefallen. Unsere Küche auch. Sie hat heute Nachmittag beschlossen, dass eine Farbe nicht reicht. Sie wischt nicht nur die Farbe, sie mischt jetzt auch. Mir wäre spontan lieber, sie hätte mal was von der Wisch-weg-Technik gehört. Aber weg geht hier gar nichts mehr. Da kann ich auch mit rumsauen. Nach einer guten Stunde sieht es immer noch aus wie »noch lange nicht fertig«. Wir essen eine Pizza auf dem Fußboden, sehen der Farbe beim Trocknen zu. Es entstehen immer neue Figuren, weil die Farbe sehr unterschiedlich trocknet. Während der Wartezeit erzähle ich meiner Mutter ein bisschen was von der Band. Sie fragt wenig nach. Vielleicht weil sie den Mund immer sehr voll hat. Sie sagt nicht: »Aber nicht, dass du die Schule vernachlässigst« oder: »Schön, dass du neue Freunde hast«
oder so einen Scheiß. Sie fragt nur, ob sie mal zuhören könne oder ob mir das peinlich wär.
    »Peinlich«, sage ich mit viel Frutti di Mare im Mund. Sie nickt nur. Vielleicht will sie ja noch was sagen, aber ihr Handy klingelt. Ich höre an der Begrüßung, dass Oma dran ist. Mama klingt dann immer gleich nach »Ich habe aber nicht viel Zeit«. Trotzdem geht sie zum Telefonieren raus. Ich sehe sie durch das Fenster. Sie wirkt zornig und ängstlich zugleich. Immer wieder reibt sie sich mit der freien Hand über die Augen. Ich wasche die Pinsel aus. Wie Blut rinnt die rote Farbe durch die Spüle. Als meine Mutter wieder runterkommt, tritt sie voll in meinen Pizzakarton, der noch auf dem Boden liegt. An ihrem Absatz kleben ein paar Shrimps. Sie schreit los.
    »Kannst du deinen Mist hier nicht wegräumen? Ben, das nervt mich echt. Andauernd muss ich deinen Scheiß wegmachen.«
    Sie wischt mit einem Lappen hektisch an ihrem Schuh, Käsefäden ziehen sich.
    Ich gehe nach oben. Lasse es noch mal rot durch das Waschbecken laufen. Es rinnt aus mir raus. Manchmal weiß ich nicht, wer ich bin. Das macht mir Angst. Ganz langsam fließt die Angst ab.
     
    Lea sagt die nächste Probe ab. Sommergrippe. Kacke, aber besser jetzt als kurz vor unserem ersten Auftritt. Ich schlage den Jungs vor, mal einen Ferien-Probenplan auf die Beine zu stellen. Wir müssen auf jeden Fall auch in den Sommerferien üben. Wir sind schon gut, aber ein bisschen hakt es noch. Jeder muss mit Rot eintragen, wann er verreist ist.
Bei mir ist nichts rot. Benny fliegt für zehn Tage zu seinem Vater nach Kroatien. Tom ist zwei Wochen in einem Mountain-Bike-Camp irgendwo im Allgäu.
    »Ich bin die letzten drei Wochen in

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