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Schmerzspuren

Titel: Schmerzspuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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natürlich, ich würde wieder auf meinem Brett landen. Aber ich glaube nicht, dass das klappt. Hab ich ja noch nie geübt. Mit wem auch?
    Ich stecke die Fäuste tief in die Hosentasche.
    »Bleibt doch mal cool. Hier ist ja wohl Platz genug«, sage ich.
    »Für uns ja. Verpiss dich endlich. Du hast doch gehört, du hast hier nichts verloren.«

    Der Spucker visiert mich fies.
    »Verloren bestimmt nichts. Aber gebunkert. Ich war einfach vor euch hier.«
    »Gebunkert? War die Kinder-Cola etwa von dir? Braver Junge, trinkst du immer schön die koffeinfreie? Da wird Mama aber stolz auf dich sein.«
    Der Dritte mischt sich jetzt auch ein: »Dann war das lustige Shirt bestimmt auch von dem Zwerg.« Er rollt zu einer Ecke, hält mein Bob-der-Baumeister-Shirt hoch.
    Natürlich ist das peinlich. Oma hat mir das geschenkt. Ich musste mich sogar artig dafür bedanken. Zum Einsauen war es perfekt. Schließlich war ich hier allein.
    Der Typ hält es immer noch hoch.
    »Hier, Baumeister, hol’s dir. Vielleicht hast du ja auch irgendwo noch deine Legos versteckt.«
    Ich ziehe die Nase hoch. Sehr hoch. Rotze auch auf den Boden uns sage laut: »Kannst du behalten. Schenk ich dir.«
    Dann rolle ich weg.
    Ich wäre da eh nicht mehr gefahren. Spucke auf dem Boden ist das Ekelhafteste, was ich kenne. Da trete ich lieber in Hundekacke, als mit dem Board durch Speichel zu rollen. Selbst mein eigener ist fies.
     
    Ich war mit meinen Eltern mal in so einer Thermalanlage. Da waren brodelnde Quellen. Manchmal zischte es auch leise. Genau so fühlt es sich in mir an. Ich bin nicht so wütend, weil ich die Halle jetzt wohl vergessen kann. Ich habe eh kaum noch Zeit, um da zu skaten. Aber dass drei so schmierige, dumpfe Typen da abhängen, stört mich. Die Art, wie sie zusammen dort gestanden haben. So selbstverständlich.
Gleichzeitig so dämlich. Die Typen hatten Visagen, die man vor Einbruch der Dämmerung gar nicht öffentlich zeigen sollte. Denen war ihr debiles Aussehen offenbar völlig schnuppe. Ausgerechnet solche Assis meinen, mich anmachen zu müssen. Und ich haue natürlich ab. Klar weiß ich, dass es dämlich ist, sich mit drei Typen anzulegen. Im schlimmsten Fall hat einer von denen ein Messer in der Tasche und kann damit umgehen. Oder nicht damit umgehen. Was hab ich davon, wenn der mir mal kurz die Achillessehne durchschneidet oder so. Dann kann ich der Band Tschüs sagen. Ich fahre und fahre, versuche, an was anderes zu denken.
    Philipp hätte die Typen aus der Halle gequatscht. Der hätte kurzerhand so getan, als wär er der Sohn des Besitzers. Oder als hätte er da geklautes Zeug versteckt und wollte die Typen als Hehler einsetzen. Irgendein obskurer Scheiß wär ihm eingefallen. Und hinterher hätten wir allein in der Halle gesessen und uns über die Typen scheckig gelacht.
    Ich muss jetzt ganz dringend an was anderes denken.
     
    Meine Eltern sitzen in der Küche oder dem, was davon noch übrig ist, und reden. Als ich reinkomme, verstummen sie und gucken mich irgendwie ertappt an. Ich nehme mir was zu trinken.
    »Habt ihr gerade über mich gelästert?«, frage ich.
    Sie gucken echt so, als hätte ich sie beim Popeln ertappt. Oder schlimmer noch. Beim Poppen. Bei der Vorstellung muss ich grinsen. Das irritiert sie natürlich.
    »Was habt ihr? Ein Schweigegelübde abgelegt?«

    »Papa muss übermorgen für zwei Tage nach Zürich«, sagt meine Mutter schließlich.
    »Das ist ja furchtbar.«
    »Ich würde gern mitfahren.«
    »Das ist ja furchtbar für Papa«, grinse ich.
    Meine Mutter wirft mit einem Trockentuch nach mir.
    Ich gebe es meinem Vater.
    »Hier, damit kannst du deine Tränen trocknen. 48 Stunden mit Mama. Das wird hart.«
    Er versucht, nicht zu grinsen.
    Meine Mutter erklärt mir sehr wortreich und extrem umständlich, dass mein Vater nach Zürich muss und sie überlegt, ob sie nicht mitfährt. Auf der Arbeit könne sie sich gut freinehmen. In Zürich würde sie total gern eine alte Studienfreundin besuchen, die dort lebt und die sie ewig nicht gesehen hat. Aber sie wüssten nicht, ob sie mich so lange allein lassen könnten. Doch mich für zwei Tage Kurzurlaub aus der Schule nehmen, das wollten sie auch nicht. So kurz vor den Zeugnissen. Und so weiter und so fort. Ich unterbreche sie.
    »Dann wäre ich ja zwei Tage und eine ganze Nacht mutterseelenallein«, schluchze ich trocken.
    Meine Mutter guckt mich erschrocken an. »Du hast recht, Ben. Das können wir nicht machen. Entschuldige bitte. Das war eine blöde Idee.

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