Schmerzverliebt
und bist jetzt wieder normal. Mensch, manchmal hast du echt ’ne Meise, Püppi, das mein ich ganz ernst.«
»Merkst du’s auch schon?«, höhnt Benne.
»Können wir jetzt endlich mit der Modenschau beginnen?«, quengelt Sandra.
»Macht ihr mal«, sage ich, »mir reicht heute Abend ein Titel.«
»Ich geh nach Hause«, beschließt Sebastian. »Und du?«
Sandra, Conny und Benne sehen mich erwartungsvoll an.
Sandra denkt sicher, dass es nur von Vorteil für sie sein kann, wenn ich mich mit einem Dickwanst belaste, denn jemand mit seinen Ausmaßen kann bei einer Popkarriere nur hinderlich sein. Sie denkt bestimmt, dass der nicht mit aufs Bravo -Foto passt, weil Dicke ja höchstens in der Rubrik »Vorher-Nachher« eine Chance haben, berühmt zu werden.
Conny wird natürlich beleidigt sein, wenn ich so früh gehe und das Highlight ihrer Party verpasse. Allerdings glaube ich, dass sie meine Abwesenheit sehr gut verschmerzen kann, wenn sie nur Benne in ihrer Nähe hat. In letzter Zeit habe ich nämlich das Gefühl, dass ihr die Freundschaft zu mir zunehmend zweitrangig wird. Seit Benne den Führerschein hat und uns ein paar Mal mit dem Auto in die Disco mitgenommen hat, hält sie sich bei Besuchen in unserem Haus mehr in seinem Zimmer auf als in meinem.
Benedikt interessiert sich normalerweise nicht für das, was ich mache, aber heute sieht er mich an, als passe ihm mein Abgang ganz und gar nicht. Das ist mir aber egal.
Daher umarme ich Conny nur flüchtig und laufe dann Sebastian nach, der schon hinausgegangen ist.
»Du bist echt ganz schön durchgeknallt«, sagt er, als wir nebeneinander vor Connys Haustür stehen, beide die Hände in die Hosentaschen gesteckt und den direkten Blickkontakt vermeidend.
»Ich hatte heute Abend eben auch keine Lust auf eine Modenschau«, erkläre ich. »Außerdem warst du doch derjenige, der plötzlich wegwollte«, füge ich gekränkt hinzu. »Du hast mich einfach so stehen gelassen!«
»Die wollten mich vorführen, hast du das nicht gemerkt?«
»Wer? Conny und Benne? Quatsch! Conny steht auf so was und Benne wollte ihr eine Freude machen.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Wieso?«
Sebastian schüttelt den Kopf. »Wieso? Wieso? Was weißt du denn schon? Ich hab keine Lust mehr, ständig auf meine Figur angesprochen zu werden, ich hab keinen Bock, mich dafür zu schämen, dass ich Übergewicht habe und unsportlich bin. Entschuldige, Pia, aber ich weiß gar nicht, was du jetzt von mir erwartest, ich bin kein Sonnyboy, der dich in seine knackigen Muskelmannarme nimmt und …«
»Mann, was hast du denn? Wir gehen doch nur zusammen nach Hause! Ich glaub, du hast Komplexe!«
Er wird rot. »Kann sein. Entschuldigung.«
Das rührt mich. Tränen steigen mir in die Augen, ich versuche sie herunterzuschlucken, verdammt, wie peinlich, kannst du dich nicht zusammennehmen, du dumme Pute!
»Schon gut«, würge ich hervor. So schlimm war’s nun auch wieder nicht. Dafür muss er sich doch nicht bei mir entschuldigen. Ich kann’s nämlich nicht ertragen, wenn sich jemand bei mir entschuldigt, der andere macht sich dann so wehrlos, und ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Gott sei Dank kommt das nicht allzu oft vor.
Sebastian berührt meinen Arm. »Tut mir echt Leid, ich wollt’s nicht vermasseln, ich wollte dich auch nicht beleidigen, ich …«
»Ich sag doch: Es ist okay!« Ich räuspere mich, krame nach meinen Zigaretten, zünde mir schnell eine an.
»Auch eine?«
»Ich rauche nicht.«
»Schön für dich. Da hast du wenigstens keinen Stress mit deinen Alten.«
Sebastian zuckt die Schultern. »Hätte ich auch so nicht.«
»Sollen wir uns noch irgendwo hinsetzen? Oder willst du direkt nach Hause? Ich jedenfalls nicht. Es ist ja noch warm und hell. Ich kenne in der Nähe einen schönen Platz, wenn du Lust hast …?«
Ich lasse den Satz in der Luft hängen, ziehe an meiner Zigarette.
»Schon …«, sagt er. »Doch …«
»Lass uns einfach ein bisschen quatschen«, füge ich hinzu.
»Okay.« Er nickt.
»Ich zeig dir meinen Lieblingsplatz.«
»Gut. Mein Fahrrad steht da vorne.«
4 Sebastian
An seinem Fahrradlenker hängen lauter weiße Mäuse. An der Stange aufgeknüpft wie an einem langen Galgen. Die Schnur, die als Strick dient, schneidet tief in ihre Hälse. Eine Massenhinrichtung, auch wenn es nur Zuckermäuse sind, keine echten. Sebastian läuft eine Gänsehaut über den Rücken.
»Was ist das denn?«, fragt Pia erschrocken.
»Ein dummer Scherz«, murmelt
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