Schmetterlinge im Gepaeck
Landesmeisterschaften dauern eine ganze Woche. Ãbungsstunden, Gewöhnung an Eis und Eisbahn, Interviews mit den Medien, zwei Programme plus ein zusätzliches Schaulaufen, falls Calliope eine Medaille gewinnt. Cricket wird die ganze Zeit dabei sein, um sie zu unterstützen.
»Oh«, sagt sie.
»AuÃerdem ist es sowieso Blödsinn.« Ich betrachte die Notizen für ihr Kostüm und zupfe an einer Haarsträhne. »Du weiÃt schon, groÃer Ball, groÃes Kleid. Wozu das Ganze?«
»Lola«, sagt sie nüchtern. »Es ist kein Blödsinn, auf einen Ball gehen zu wollen. Es ist kein Blödsinn, sich ein hübsches Kleid anziehen und für einen Abend schön fühlen zu wollen. Und dafür braucht man keinen Partner.«
Ich sage nichts.
Sie schüttelt den Kopf. »Wenn du nicht hingehst, bist du wirklich blöd. Und dann hast du meinen Bruder tatsächlich nicht verdient.«
Kapitel zweiunddreiÃig
I c h arbeite den ganzen Tag und die ganze Nacht an Calliopes Kostüm: trenne die alten Nähte auf, nähe die neuen Teile zusammen, füge Verzierungen aus meinen eigenen Vorräten hinzu. Nur gegen Mitternacht mache ich einmal eine kurze Pause, in der ich an meinem Fenster ein bisschen Luft schnappe. Cricket gesellt sich zu mir. Er beugt sich vor und stützt die Ellbogen auf seinem Fensterbrett auf. Wegen seiner langen Arme und Finger sieht diese Haltung erstaunlich insektenartig aus. Aber süÃ. Sehr süÃ.
»Danke, dass du meiner Schwester hilfst«, sagt er.
Ich beuge mich vor und ahme seine Haltung nach. »Mach ich gern.«
Calliope lehnt sich aus ihrem Fenster. » HÃR AUF ZU FLIRTEN UND GEH WIEDER AN DIE ARBEIT .«
Tolle Pause.
»Hey, Cal«, ruft Cricket. Sie blickt zu ihm hinüber und er zieht ein grünes Gummiband von seinem Handgelenk und lässt es an ihren Kopf schnellen. Es trifft sie mit einem Pitsch! an der Nase und fällt zwischen unseren Hauswänden hinunter.
»Du bist so erwachsen.« Sie knallt ihr Fenster zu.
Er grinst mich an. »Das kommt nie aus der Mode.«
»Wusstâ ichâs doch, dass du die Dinger aus einem bestimmten Grund trägst.«
»Welche Farbe hättest du gern?«
Ich grinse zurück. »Blau. Aber ziel bitte nicht auf mein Gesicht.«
»Würde ich nie tun.« Und er schnippt ein Gummi genau an mir vorbei.
Es landet auf meinem Bettvorleger und ich schiebe es mir übers Handgelenk. »Du bist geschickt mit den Fingern.« Dabei werfe ich ihm einen vielsagenden Blick zu, der ausdrücken soll: Ich rede nicht von Gummibändern.
Seine Ellbogen rutschen unter ihm weg.
»Gute Nacht, Cricket Bell.« Ich ziehe grinsend meine Vorhänge zu.
»Gute Nacht, Lola Nolan«, ruft er zurück.
Das Gummiband ist noch ganz warm von seiner Haut. Ich arbeite den Rest der Nacht weiter und bin mit dem Kostüm fertig, als der Mond untergeht. Ich falle ins Bett und schlafe ein, das Gummiband am Handgelenk und die andere Hand darum gelegt. Meine Träume drehen sich um blaue Augen, blaue Fingernägel und mit blauen Zuckerkristallen bestreute Erster-Kuss-Lippen.
»Wo ist es?«
»Hmmmh?!« Ich wache auf und sehe eine gespenstische Vision von Calliope und ihrer Mutter vor mir, die vor meinem Bett aufragen. Die Leute müssen ECHT aufhören, mir das anzutun.
»Bist du fertig geworden? Wo ist es?«, fragt Calliope noch einmal.
Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich nur zwei Stunden geschlafen habe. Ich wälze mich vom Bett auf den FuÃboden. »InmeimSchrank«, murmle ich und krieche zur Schranktür hinüber. »Musste es ordentlich aufhängen.«
Mrs Bell erreicht den Schrank als Erste. Sie reiÃt die Tür auf und gibt einen erstaunten Laut von sich.
»Was? Was ist denn?«, fragt Calliope.
Mrs Bell nimmt es heraus und hält es hoch. »Oh, Lola. Es ist wunderbar.«
Calliope nimmt es vom Bügel und zieht sich auf die Art aus, wie sie nur hübsche Sportlerinnen beherrschen â ohne Scham und mit Publikum. Ich wende mich verlegen ab.
»Oooh«, sagt sie.
Ich gucke wieder hin. Sie steht vor meinem Spiegel, in dem man sich ganz sehen kann. Das schwarze Kostüm hat lange, schmale, durchscheinende Ãrmel â hauchdünn, schimmernd und verführerisch. Sie sehen aber eher wie fingerlose Abendhandschuhe aus, weil sie oben an den Armen enden und elegant die Schultern entblöÃen. Der Body hat
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