Schmetterlinge im Gepaeck
lieber nicht.«
Ich ziehe das MaÃband etwas zu fest um ihre Taille.
»Autsch.«
Ich entschuldige mich nicht, sondern beende schweigend meine Arbeit. Calliope räuspert sich, als ich die letzten MaÃe notiere. »Tut mir leid«, sagt sie. »Es ist total nett von dir, dass du das hier für mich machst. Ich weiÃ, dass ich es nicht verdient habe.«
Ich halte beim Schreiben inne.
Sie knallt meine Wimpernzange auf den Tisch. »Du hattest recht. Ich dachte, er wüsste es, aber er wusste es nicht.«
Ich bin verwirrt. »Was wusste er nicht?«
»Dass er wichtig für unsere Familie ist.« Sie verschränkt die Arme. »Als Cricket in Berkeley angenommen wurde, habe ich beschlossen, zu meinem früheren Trainer zurückzukehren. Ich wollte hierher zurückziehen, damit ich in Crickets Nähe sein kann. Unsere Eltern auch.«
Sie sieht aus, als wollte sie noch mehr sagen, deshalb warte ich. Sie setzt sich auf meinen Schreibtischstuhl. »Es ist ja kein Geheimnis, dass unser Familienleben durch mich schwierig geworden ist. Es gibt Dinge, die Cricket meinetwegen nicht bekommen oder erfahren hat. Ich habe sie auch nicht bekommen, und ich habe es gehasst, aber ich habe mich selbst dafür entschieden. Er durfte sich nicht entscheiden. Er hat alles gutmütig und ohne zu murren hingenommen. Unsere Familie wäre bestimmt schon längst zerbrochen, wenn Cricket nicht die schwierigste Aufgabe übernommen hätte: uns alle bei Laune zu halten.« Sie blickt zu mir auf. »Du sollst wissen, dass ich mich furchtbar fühle wegen dem, was ich meinem Bruder angetan habe.«
»Calliope ⦠Ich glaube nicht ⦠dass Cricket es so sieht. Und das du weiÃt auch.«
»Bist du sicher?« Ihr stockt die Stimme. »Wie kannst du da so sicher sein?«
»Ich bin es einfach. Er liebt dich. Er ist stolz auf dich.«
Sie schweigt einen Moment lang. Zu sehen, wie ein so starker Mensch Mühe hat, sich zusammenzureiÃen, ist erschütternd. »Meine Familie sollte ihm öfter sagen, wie auÃergewöhnlich und toll er ist.«
»Ja, das ist er. Und ja, ihr solltet es ihm sagen.«
»Er hält dich auch für auÃergewöhnlich. Immer schon.« Calliope sieht mich noch einmal an. »Es tut mir leid, dass ich dir das vorgehalten habe.«
Und ich bin zu erstaunt über dieses Eingeständnis, um antworten zu können.
Sie legt die Hand auf das Rüschenkostüm neben ihr. »Sag mir nur eines. Mein Bruder ist nie über dich hinweggekommen. Bist du über ihn hinweggekommen?«
Ich muss schlucken. »Ãber manche Menschen im Leben kommt man nie hinweg.«
»Gut.« Calliope steht auf und lächelt mich grimmig an. »Wenn du Cricket das Herz brichst, brech ich dir das Genick.«
Wir arbeiten eine halbe Stunde zusammen, picken einzelne Teile heraus und werfen mit Ideen um uns. Calliope weiÃ, was sie will, aber ich stelle erfreut fest, dass sie auch meine Meinung respektiert. Wir entscheiden uns für einen Entwurf, für den wir nur ihre schwarzen Kostüme brauchen. Die übrigen sammelt sie ein, um sie wieder mit nach Hause zu nehmen.
»Wo ist denn dein Kleid?«, fragt sie.
Ich habe keine Ahnung, wovon sie redet. »Welches Kleid?«
»Das Marie-Antoinette-Kleid. Ich hab deinen Hefter gesehen.«
»Du hast was?«
»Cricket hat ihn bei einem meiner Wettbewerbe mit sich herumgeschleppt und das blöde Ding geradezu gestreichelt. Natürlich habe ich ihn gnadenlos aufgezogen, aber ⦠es war interessant. Du hast viel Arbeit in diesen Ordner gesteckt. Cricket sagt, du würdest genauso viel an dem echten Kleid arbeiten.« Sie sieht sich in meinem Zimmer um. »Ich hätte nicht gedacht, dass man ein so riesiges Ballkleid verstecken kann, aber anscheinend hab ich mich getäuscht.«
»Ach so. Ãhm, es ist nicht hier. Ich habe mit dem Schneidern aufgehört. Ich gehe nicht zum Ball.«
»Was? Wieso denn nicht? Du arbeitest doch schon seit einem halben Jahr daran.«
»Ja, aber ⦠Das ist doch ziemlich blöd, oder? Allein dort aufzukreuzen.«
Sie guckt mich an, als wäre ich total bescheuert. »Dann kreuz doch mit meinem Bruder da auf.«
Ihr Vorschlag â ihre Erlaubnis! â klingt verlockend, aber ich habe schon darüber nachgedacht. »Der Ball ist nächstes Wochenende. Da ist er noch am anderen Ende des Landes wegen der Meisterschaften.«
Die
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