Schmetterlinge im Gepaeck
jedem Jahr, das verging, perfekter und schöner wurde. Er sah zu, wie sie den Mond ansah. Und allmählich fragte er sich, ob ihm der Mond vielleicht helfen würde, das Geheimnis des schönen Mädchens zu enträtseln. Also blickte der Junge in den Himmel.
Aber er konnte sich nicht auf den Mond konzentrieren. Die Sterne lenkten ihn zu sehr ab.«
Ich höre, wie sich Cricket ein Gummiband vom Handgelenk zieht. Er benutzt es, um ein Haarknäuel zusammenzuhalten.
»Erzähl weiter«, bitte ich ihn.
Ich höre das Lächeln in seiner Stimme. »Und es war egal, wie viele Lieder oder Gedichte schon über die Sterne geschrieben worden waren, denn wann immer der Junge an das Mädchen dachte, schienen die Sterne heller. Als würde das Mädchen ihnen Licht und Glanz schenken.
Eines Tages musste der Junge fortziehen. Er konnte das Mädchen nicht mitnehmen, deshalb nahm er die Sterne mit. Wenn er nachts aus dem Fenster sah, fing er mit einem an. Mit einem Stern. Der Junge wünschte sich etwas und der Wunsch war ihr Name.
Beim Klang ihres Namens erschien ein zweiter Stern. Dann wünschte sich der Junge wieder ihren Namen und die beiden Sterne verdoppelten sich. Aus vier wurden acht, aus acht wurden sechzehn und so weiter, in der gröÃten mathematischen Gleichung, die das Universum je erlebt hatte. Und als eine Stunde vergangen war, standen so viele Sterne am Himmel, dass seine Nachbarn davon aufwachten. Die Leute fragten sich, wer das Flutlicht eingeschaltet hatte.
Das war der Junge. Indem er an das Mädchen gedacht hatte.«
Ich schlage die Augen auf und das Herz klopft mir bis zum Hals. »Cricket ⦠So bin ich doch nicht.«
Er hört auf, mir das Haar festzustecken. »Was meinst du?«
»Du hast dir eine Vorstellung von mir geschaffen, ein Idealbild, aber dem entspreche ich nicht. Ich bin nicht perfekt. Ich bin alles andere als perfekt. Ich bin so eine schöne Geschichte nicht wert.«
»Lola. Du bist die Geschichte.«
»Aber eine Geschichte ist eben nur eine Geschichte. Und nicht die Wahrheit.«
Cricket fährt mit seiner Arbeit fort. Jetzt kommen die rosa Rosen. »Ich weiÃ, dass du nicht perfekt bist. Aber genau das, was an einem Menschen nicht perfekt ist, macht ihn doch erst perfekt für jemand anders.«
Eine weitere Haarnadel landet an ihrem Platz, als mein Blick auf seinen Handrücken fällt. Ein Stern. Jeder einzelne Stern, den er sich auf die Haut gemalt hat, war für mich. Ich gucke kurz zur Tür, um sicherzugehen, dass dort niemand steht, und nehme seine Hand.
Er sieht auf sie hinunter.
Ich umkreise den Stern mit dem Daumen.
Cricket blickt zu mir auf. Seine Augen sind so unglaublich, wahnsinnig blau.
Ich ziehe ihn zu mir herunter und drücke meine Lippen auf seine und sie sind voller Ãberraschung und Schock. Und ich küsse Cricket Bell mit allem, was sich in mir aufgestaut hat â seit er wieder hierher zurückgezogen ist, seit jenem Sommer, seit unserer Kindheit. Ich küsse ihn, wie ich noch nie jemanden geküsst habe.
Er rührt sich nicht. Seine Lippen bewegen sich nicht.
Mein Kopf schnellt beunruhigt zurück. Ich habe es überstürzt, ich habe ihn bedrängt â¦
Er lässt sich auf die Knie fallen und zieht mich mit einem Ruck an seine Lippen zurück.
Sein Kuss ist nicht im Entferntesten unschuldig. Da ist Leidenschaft, aber auch eine Dringlichkeit, die an Panik grenzt. Er zieht mich noch näher zu sich, so nah es mit meinem Kleid und meinem Stuhl geht, und hält mich so fest, dass ich seine Finger durch den Rücken meiner Schnürbrust spüre.
Ich weiche zurück und ringe nach Luft. Mir ist schwindelig. Sein Atem geht stoÃweise, und ich lege ihm meine Hände auf die Wangen, damit er ruhiger wird. »Ist das in Ordnung?«, flüstere ich. »Ist mit dir alles in Ordnung?«
Seine Antwort klingt beklommen. Ehrlich. »Ich liebe dich.«
Kapitel vierunddreiÃig
D e r Mond scheint in mein Zimmer und enthüllt Crickets Verletzlichkeit. »Ich habe das nicht gesagt, damit du es auch sagst«, flüstert er. »Bitte sag es nicht, wenn du es nicht auch so meinst. Ich kann warten.«
Ich erhebe mich und mache mein Kleid vom Stuhl los. Dann helfe ich Cricket aufzustehen und lege mir seine Hände um die Taille. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, umfasse seinen Nacken und küsse ihn sanft auf den Mund. Langsam. Seine Zunge findet meine.
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