Schmetterlingsgeschichten - Chronik II - Rock 'n' Roll (German Edition)
das Wohl des Reiches vergessen. Das war eine innenpolitische
Entscheidung, doch er mochte Innenpolitik nicht. Diese innenpolitische
Entscheidung dauerte nur wenige Minuten, und er konnte sich wieder wichtigeren
Dingen zuwenden.
Unter
seiner Führung waren die Nilas immer stärker geworden, und er hatte sich als
ehemaliger Leiter dieser Organisation gut bewährt. Er hatte nur Befehle seines
Vorgängers angenommen und hatte seine Arbeit auf die Ausschaltung seiner
politischen Konkurrenten konzentrieren müssen. Kein Wunder, dass es immer
wieder Revolten gegeben hatte. Die Nilas hatten ihre wirkliche Stärke verschwendet.
Er hatte die Macht der Nilas solange ausgebaut, bis die Konkurrenten aus Angst
und Furcht verstummten. Unvorstellbare Brutalität und Gewissenlosigkeit kennzeichneten
einen jeden Nila.
Und
dieses Mittel hatte sich eindeutig bewährt.
Nach
dem Abklingen der internen Störenfriede hatte sich sein Vorgänger sicher
gefühlt. Er war der Einzige, dem er vertraut hatte.
Das
war sein Fehler gewesen.
Claudius
selber hatte mit den Jahren und dem Wachsen des Einflusses der Nilas an
der Macht geschmeckt und wollte mehr…
Claudius
war die inoffizielle Nr. 2 der Union gewesen. Was gab es mehr als Nr. 2?
Mit
einem bisschen Verstand hätte sein Vorgänger das erkennen müssen, so, wie er
das tat. Das hatte er aber nicht.
Eines
Tages waren sie zu einer Besprechung mit den Beratern seines Vorläufers
zusammengekommen. Der Vorsitzende der Union hatte wie immer am Kopf des langen
Marmortisches gesessen. Berater und Vertreter einiger Systeme waren versammelt,
um ihre wöchentliche Besprechung abzuhalten. 37 Männer und Frauen saßen im
Besprechungssaal, und Claudius war wie immer der Letzte, der zu diesem Termin
erschien. Es war reine Absicht.
Denn
nachdem alle außer ihm eingetreten waren, wurden die schweren Flügeltüren geschlossen
- für ihn mussten sie extra wieder aufgemacht werden. Dann schauten ihn alle
an. Er trug immer seine Galauniform, ganz in schwarz. Wenn die Anwesenden sich
vor seinem Auftritt auch unterhalten hatten, so verstummten ihre Worte immer,
wenn er eintrat. Denn mit der Zeit waren seine Neuigkeiten für jeden Anwesenden
gefährlich geworden. Erst zwei Sitzungen vorher hatte er den Saal auf dieselbe
Art und Weise betreten, war aber nicht zu seinem Platz gegangen, sondern
zielstrebig auf den Abgesandten der Fuschu-Kolonie.
»Lord
Thelhaus«, hatte er gesagt. »Ihr seid des Hochverrates überführt worden. Unsere
Beweise sind eindeutig. Eine Verteidigung ist Euch nicht mehr gestattet.« Dann
hatte er seinen Dolch genommen und ihm Lord Thelhaus vor allen Anwesenden direkt
ins Herz gestochen. Die Gesichter der Berater waren in diesem Moment kühl gewesen.
Für sie war es schlicht die Zahl »Eins«. In den Gesichtern der Vertreter der Kolonien
war es jedoch nicht nur eine Zahl. Sie waren kreidebleich geworden, aber sie hatten
kein einziges Wort gesagt. Das einzige Gesicht, das gelächelt hatte, war das des
Vorsitzenden der Union gewesen. Dann hatte er sich auf seinen Platz gesetzt und
sie konnten die Sitzung beginnen. Die Leiche hatte den ganzen Sitzungstag in
ihrem Sessel gelegen.
Bei
der nächsten, der entscheidenden Sitzung, war er wieder in Schwarz gekleidet
gewesen, und niemand hatte es nur ansatzweise gewagt, ein Wort zu sagen. Doch
diesmal hatte Claudius keine besondere Absicht… nur eine ganz einfache.
Er
ging den langen Marmortisch entlang bis zum Kopf. Dort stand sein leerer Stuhl,
wie immer, und wartete. Am Kopf selber saß der Vorsitzende der Union und wollte
mit den ersten Sätzen beginnen, wenn sich Claudius Brutus Drachus gesetzt
hätte. Doch er ging an seinem Stuhl vorbei. Der Vorsitzende schaute ihn fragend
an und begriff die Situation erst, als es zu spät war. Claudius trat hinter
ihn, zog mit der einen Hand schnell den Kopf des Vorsitzenden nach hinten, mit
der anderen seinen Dolch, und schnitt ihm die Kehle durch. Dann drehte er den
leblosen Körper mit dem Stuhl zur Seite, verschaffte ihm einen Stoß und ließ
ihn auf den Boden fallen. Der Nila streifte die blutverschmierte Klinge an der
weißen Robe des Vorsitzenden ab und setzte sich auf den Stuhl am Kopf des
Tisches.
»Meine
Damen und Herren. Ich würde gerne mit Ihnen über die Außenpolitik der Union
reden.«
Innenpolitisch
gab es von nun an nichts mehr zu besprechen.
Diese
Last hatte er den 36 Personen abgenommen.
Eine
Ordonanz betrat jetzt den Raum und riss
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