Schmetterlingsgeschichten - Chronik V - (R)Evolution (German Edition)
Zugang zu diesem Bereich der
Residenz gewährten.
Dr.
Sandokan Elbono wurde klar, dass es sich hierbei noch nicht um den Sitz von
Claudius Brutus Drachus handelte.
Vielleicht
würde er ihn auch nicht bei sich empfangen, vielleicht einfach nur an einem
x-beliebigen Ort, den er immer für ähnliche Zwecke gebrauchte?
Gerade
hatte er noch den blauen Himmel wahrgenommen, da sah Elbono den Nila-Offizier
von vorhin, der ihm zugeteilt worden war. Der Rotuniformierte winkte ihm auf
die Distanz und kam auf ihn zu. Dr. Sandokan Elbono verstand und ging ihm
entgegen.
»Sir«,
sagte der Mann mit Freude in der Stimme, als sie in Hörweite waren. »Ist dies
nicht ein Schatz?«, der Offizier ließ Elbono aber nicht zur Antwort kommen.
»Claudius selber kommt hier öfters her, um alles zu vergessen«, sagte der Nila
und war sich nicht sicher, ob Dr. Sandokan Elbono diese sehr offensichtliche
Lüge erkannte. Claudius kam hier niemals her. Niemand wusste genau, wo und wann
sich Claudius Brutus Drachus irgendwo aufhielt. Hier garantiert nicht. Der Nila
war zwar Elbono zugeteilt worden, aber zum engsten Stab des Vorsitzenden
gehörte er nicht. Er hatte seine Instruktionen und sollte dem Gast die Dinge zeigen,
die er sehen wollte. Wann und wie der Vorsitzende der Union ihn empfangen
würde, das wusste niemand. Auch wusste niemand genau, wie wichtig Dr.
Sandokan Elbono dem Vorsitzenden tatsächlich war. Die selbst geschriebene Karte
zeugte allerdings davon, dass der Mann hier Claudius zumindest zu dem Zeitpunkt des Schreibens wichtig gewesen war. Ob das heute immer noch so war,
das konnte niemand sagen. Sie alle wussten um das launische Gemüt des
Vorsitzenden... und den Mund würde hier niemand deswegen aufmachen.
Warum
dieser Platz hier allerdings existierte, warum ein Architekt diesen hier
eingelassen hatte, das wussten nur wenige.
Der
Nila hatte lediglich den Befehl, ihn hierher zu bringen, auf das »Okay« zu
warten und ihn dann weiterzuführen. Ein wenig verwundert war er schon über Dr.
Sandokan Elbono. Personen, die mit solchen Einladungen hier auftauchten,
strotzten nur so vor Stolz – und das taten sie auch meist lautstark. Doch
dieser hier, ja, wie sollte er es sagen… er war so eigenartig ruhig, in seinem
feinen Anzug. Er hatte nicht den Eindruck, dass er hierher passte – aber…
irgendwie schon. Die stumme Aura, die diesen Mann zu umgeben schien, war wundervoll
böse. Beeindruckend – ohne Zweifel. Aber das war sie bei den meisten Lebewesen
hier, die sich in diesem Bereich aufhalten durften. Zwar waren sie von dem
eigentlichen Aufenthaltsgebiet des Vorsitzenden noch weit entfernt, aber hier
kamen alle Persönlichkeiten des Universums zusammen, die wichtig waren. Und
eines war dabei klar: gut konnten sie nicht sein.
Dr.
Sandokan Elbono nahm wahr, dass der Nila neben ihm ihn hier hinhielt.
Es
pochte in Elbonos Herz… und pochte. Aber er war ruhig. Wenn er hier ausfallend
werden würde, dann würde es nicht unbedingt das Ende seiner Reise bedeuten –
aber zumindest eine Entfernung von seinem Ziel.
Der
Nila neben ihm wusste nicht, dass er mit seinem Leben spielte. Elbono hatte
Hunger. Zu seinem Glück bekam der Nila-Offizier gerade in diesem Moment durch
den implantierten Lautsprecher hinter seinem rechten Ohr das »Okay«. Dr.
Sandokan Elbono war gecheckt worden. Der Offizier wusste selber nicht, dass
unter diesem Rasen eine Anlage installiert worden war, die jeden Besucher
scannte. Seit dem Attentatsversuch mit einer Androidenfrau, einer Klonfrau, war
diese Vorsichtsmaßnahme eingerichtet worden. Das Ergebnis des Scans: Dr.
Sandokan Elbono war ein Mensch aus Fleisch und Blut, keine versteckten Waffen,
keine Chips – keine feststellbare biologische Verseuchung.
Diese
Anlage war so geheim, dass selbst der Nila nie wieder in seinem Leben solch
eine Aufgabe, die Betreuung eines Gastes, bekommen würde. Lediglich der nächste
Nila, dem ebenfalls gesagt werden würde, dass dieser Platz tatsächlich eine
einsame Einzigartigkeit war, würde wieder hierherkommen, mit einem nächsten
Gast, dessen Identität überprüft werden müsste. »Sir«, zeigte der Nila nun auf
eines der Portale. »Wenn ihr mir bitte folgen würdet?«
Ohne
ein Wort zu sagen, ging Dr. Sandokan Elbono ihm hinterher. Kaum hatten sie die
schweren Marmorsäulen passiert, da füllte sich der Gang dahinter mit Stimmen.
Hier herrschte Leben, hier wurde verkehrt. Adlige Damen, Diplomaten,
Botschafter, Beamte, Nila-Offiziere –
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