Schmetterlingsschatten
darauf zu warten, dass sie ihm zustimmte.
Timo war seit fast einem halben Jahr unsterblich in Elena verknallt. Jeder, der Augen im Kopf hatte, wusste das, auch wenn Elena so tat, als merke sie es nicht. Sie mochte Timo gerne, aber mehr nicht. Sie traute sich nur nicht, ihm das zu sagen, weil sie fürchtete, ihn dann als Freund zu verlieren.
»Ehrlich, Timo, mach’s nicht dramatischer, als es ist!«, wies sie ihn zurecht und versuchte dabei, Viviennes coolen Tonfall zu kopieren. Insgeheim war sie ihm jedoch dankbar dafür, dass er das Gespräch in eine andere Richtung gelenkt hatte. »Bestimmt war es ein Unfall.« Wie bei Laura . Ärgerlich schüttelte sie den Gedanken ab. Sie musste endlich damit aufhören, ständig an Laura zu denken. Sie war tot, daran war nichts zu ändern.
»Es hat geklingelt.« Viviennes Ankündigung kam unvermittelt. Nicht zum ersten Mal vermutete Elena, dass ihre Freundin ihre Gedanken lesen konnte und sie nun ablenken wollte. »Lasst uns reingehen!«
Dankbar nickte sie, schob den Rucksack wieder auf die andere Schulter und machte sich auf den Weg zur Eingangstür.
»Hey, Grevenstein, hängst du wieder mit den Mädchen rum? Hast du deine Puppen mitgebracht?« Lukas’ Stimme tönte unüberhörbar über den Hof und Elena konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie Timo leicht zusammenzuckte. Allmählich musste er diese Idioten doch gewöhnt sein. Jungen waren manchmal komisch.
»Grev, kommst du demnächst auch im Kleidchen, wie deine Freundinnen?« Daniel diesmal. Nina, die als Einzige von ihnen wirklich ein Kleid trug, zog eine beleidigte Schnute. Viv knurrte leise und machte ein Gesicht, als wolle sie jemanden umbringen. Timo starrte auf seine Schuhspitzen. Elena griff nach seiner Hand und drückte sie flüchtig.
»Hör doch einfach nicht auf die, das sind die letzten Penner!«, flüsterte sie ihm zu.
»Liebesgeflüster?«, kommentierte Lukas, und Daniel setzte sofort hinterher: »Händchen halten tun sie auch schon.«
Elena ließ Timos Hand los und fuhr herum. Die Arme in die Hüften gestemmt, funkelte sie die beiden Jungen zornig an. »Verpisst euch gefälligst und lasst uns in Ruhe!«
»Grev wird von seiner Freundin verteidigt«, witzelte Daniel, aber es klang halbherzig. Elena war einen Kopf größer als er und hatte ihm schon einmal bewiesen, dass sie auch die Stärkere war. Kaum trat sie einen Schritt auf die beiden zu, zogen sie sich schleunigst zurück. In ihren überweiten Skaterhosen sahen sie noch dünner aus, als sie ohnehin schon waren, doch das schien ihnen nicht bewusst zu sein. Aus sicherer Entfernung riefen sie Timo noch ein »Püppchen« zu, bevor sie im Schulhaus verschwanden.
Timo zog eine Grimasse. »Du musst mich nicht immer verteidigen.« Er sah verlegen aus, aber auch ein bisschen vorwurfsvoll. Elena starrte ihn entgeistert an. War er jetzt völlig durchgeknallt? Wollte er sich nicht mal bei ihr bedanken?
»Dann mach’s das nächste Mal gefälligst selbst!«, sprang Vivienne ein, packte Elenas Arm und zog sie weiter. »Kommt jetzt endlich!«
Niemand saß auf seinem Platz, als sie endlich ins Klassenzimmer kamen. Stattdessen standen überall diskutierende Grüppchen herum. Frau Bach, Elenas Deutschlehrerin, versuchte vergeblich, etwas Ordnung in die Klasse zu bringen. Erst, als sie zum dritten Mal um Ruhe gebeten hatte, begannen die Schüler, sich auf ihre Plätze zu verteilen. In dem Gewühl wäre es Elena gelungen, ihr Zuspätkommen ganz zu vertuschen, doch eine unüberhörbare Stimme machte diese Hoffnung rasch zunichte.
»Schaut an, die Prinzessin ist auch schon da. Na ja, wahrscheinlich ist ihr der Pöbel so unerträglich, dass sie so spät wie möglich auftaucht.«
Melanie. Diese Zicke. Elena verdrehte die Augen. Die würde ihr wohl nie verzeihen, dass sich ein Junge für sie interessierte und nicht für Mella selbst. Seitdem zog sie Elena damit auf, dass sie sich angeblich zu fein wäre, an den Partys ihrer Klassenkameraden teilzunehmen. Dabei hatte das ganz andere Gründe. Vielleicht sollte Melanie mal versuchen, mit Elenas Mutter klarzukommen. Es war ja nicht so, dass Elena zu Hause bleiben wollte.
Vivienne warf ihr einen warnenden Blick zu, aber den hätte es nicht gebraucht. Sie ignorierte Mella vollständig, ließ sich auf ihren Stuhl gleiten und kramte in ihrem Rucksack nach dem Deutschbuch. Sie hatte nicht vor, sich ärgern zu lassen. Nicht heute.
Der Vormittag schleppte sich nur so dahin. Elena bekam nicht allzu viel von dem mit, was die
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