Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
nicht«, erwiderte sie mit einer kindlichen Betonung, fast so, als würde
sie am liebsten noch ein Ätsch anfügen.
»Dann erklär’s
mir bitte.«
Aus ihrem
Lächeln wurde ein raues Lachen, dem sie allerdings rasch mit ernstem Ausdruck ein
Ende setzte. »Wir unterhalten uns hier nicht über Lausbubenstreiche. Ehrlich gesagt,
hat es mir gutgetan, mal darüber reden zu können. Selbst mit jemandem, den ich gar
nicht kenne.« Sie zwinkerte ihm zu, beinahe frech. Felicitas hatte etwas, das sie
von Laura unterschied, etwas Leichtfertiges, etwas Abgründiges. Sie war eine Frau,
die schwerer einzuschätzen war als Laura.
»Und noch
etwas mehr erzählen willst du nicht?«, versuchte John sie zu animieren, fortzufahren.
»Ich bin
mir nicht sicher.« Sie neigte den Kopf zur Seite und musterte ihn wie zuvor. »Vielleicht
habe ich ja schon zu viel gebeichtet. Ich muss vorsichtiger sein. Schließlich halte
ich mich nicht zum Spaß versteckt.«
Ȇbrigens,
die Wahl deines Schlupfwinkels überrascht mich. Moja und seine Freunde kennen dieses
Haus schließlich bestens.«
»Das weißt
du auch? Wirklich nicht schlecht.« Sie pfiff leise durch die Lippen. »Gerade deshalb
habe ich mich hier verkrochen. Wenn Moja einen Zufluchtsort aufgibt, dann gibt er
ihn wirklich auf. Das heißt, dann kehrt er nie wieder dahin zurück. Ob er das Haus
als Wohnung oder als Verhandlungsstätte oder als Gefängnis für Frauen benutzt hat,
spielt keine Rolle. Nie zu lange an einem Platz und nie mehr dorthin gehen. Da gibt
es kaum mal eine Ausnahme. Also bin ich hier ganz gut aufgehoben. Soweit ich das
überhaupt sein kann.«
»Kommen
wir mal zurück zu dem Unfall, bei dem du sterben solltest.« Er machte eine Pause.
»Du weißt, dass es diesen Unfall gab. Und dass jemand zu Tode kam.«
Felicitas
Winter erwiderte nichts.
»Eine Frau
starb«, fügte John hinzu.
»Ja«, sagte
sie schließlich. »Und ich ahnte sogar, dass so etwas passieren würde. Der Unfall
war lange vorbereitet. Ich bekam es mit. Das heißt, ich bekam mit, dass irgendetwas
Grässliches geschehen und ich dabei die Hauptrolle spielen sollte. Mir war längst
klar geworden, dass Moja mir nicht mehr traute. Und dann ist sowieso alles vorbei.
Als ich eine Chance zur Flucht sah, rannte ich los. Wir befanden uns in einem Haus
in Herdern. Bei mir hatte ich das, was ich auf dem Leib trug, und eine Handvoll
zerknitterter Geldscheine. Bei Moja liegt ständig irgendwo Bargeld herum. Ich rannte
und rannte und rannte.«
»Du hast
Glück gehabt.«
»Mehr Glück
als Verstand.«
»Mehr Glück
als Helena Smolarek.«
Sie nickte,
und zum ersten Mal zeigte sich eine verzweifelte Trauer in ihren Zügen. »Ja, Helena.
Ich kannte nicht einmal ihren Nachnamen. Wala hatte sie aus Frankfurt oder Offenbach
angeschleppt. Dort musste sie für ihn anschaffen. Und hier musste sie das weiterhin.
Zuerst machten er und Moja Späße darüber, dass sie und ich uns zum Verwechseln ähnlich
sahen. Das widerliche Schwein wollte einen flotten Dreier mit zwei Lady Butterflys.
Aber Moja ließ das zum Glück nicht zu. Von seinen Komplizen durfte mich keiner anrühren.
Und von seinen Kunden bloß ganz wenige – nur die mit richtig viel Geld. Oder solche,
die ihm sonst von besonders großem Nutzen waren.«
»Eine Frau
musste sterben«, wiederholte John leise die exakten Worte von Alex.
»Helena
litt noch mehr als die übrigen Mädchen. Einmal flüchtete sie, ein wahnwitziger Versuch.
Es fing an mit einem Nervenzusammenbruch, sie schrie und weinte. Wala pumpte sie
mit Beruhigungsmitteln voll. Das betäubte sie, allerdings nicht völlig. Die Pillen
machten ihr anscheinend auf verrückte Weise Mut. Es war in einem Haus in der Belfortstraße.
Eigentlich sollte sie an diesem Tag dort anschaffen. Ihr gelang es, abzuhauen, und
zuerst bemerkte Wala es nicht. Die Arme. Sie wurde sogar von der Polizei aufgegriffen,
konnte sich dort jedoch nicht verständlich machen, bekam wohl gar nicht so richtig
mit, was um sie herum geschah. Wieder taumelte sie durch die Straßen – und lief
Wala praktisch in die Arme. Ich erfuhr später von der Geschichte.« Felicitas starrte
vor sich hin. »Als der Unfall inszeniert wurde, schnappte man sich Helena, pumpte
sie erneut voll mit Drogen und fuhr einfach über sie drüber. Und zwar so, dass man
nicht mehr viel von ihr erkennen konnte. Bei ihr fand die Polizei dann meine Papiere.«
»Warum dieser
Unfall?«
»An meiner
Stelle musste Helena sterben. Wala steuerte den Wagen. Und Moja hielt
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