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Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Lippen
herum, dass er keine einzige davon aussprechen konnte. Er war bisher keiner Frau
gegenüber gesessen, die von den Toten auferstanden war. Sozusagen.
    »Ich muss
mit Ihnen reden«, hatte er gesagt – und seitdem praktisch keinen Ton mehr.
    »Wer sind
Sie?«, hatte Felicitas Winter gefragt. Und als er seinen Namen nannte und ihr erklärte,
dass er Privatdetektiv sei und im Auftrag ihrer Schwester Nachforschungen angestellt
habe, wirkte sie beruhigter. »Laura?« Ihr Blick glitt an ihm vorbei, irgendwo ins
Nichts, vielleicht in die Zeit, als sie und Laura einfach nur Schwestern gewesen
waren und keine erwachsenen Frauen, die sich aus den Augen verloren.
    Mit seinem
Feuerzeug entzündete er die Kerzenreste, und ohne dass sie sich darauf verständigt
hätten, setzten sie sich hin. Fast wie alte Freunde.
    »Sie wissen«,
begann John endlich, »dass Ihre Familie Sie für tot hält?«
    »Wir sagen
Du, hm«, bestimmte sie. Sogar ihre Stimme war sexy, erfüllt von dieser Rauchigkeit,
die Männer sofort aufmerksam werden lässt.
    »Okay.«
    »Hast du
eine Zigarette?«
    »Nur Kaugummi.«
    »Na toll.«
Sie zog eine Schnute. »Musste mich in letzter Zeit nämlich auf das Nötigste beschränken.«
    »Also auf
Gummibärchen.« Er lächelte.
    »Ja, ohne
die würde ich sterben.«
    »Ich weiß.«
In der Tat, es war merkwürdig, mit jemandem zu sprechen, den man nicht kannte –
und von dem man trotzdem so manches wusste.
    »John sagtest
du, oder? Dietz?«
    Er nickte.
»Du wirst für tot gehalten«, meinte er erneut.
    Wie auf
dem Foto musste man genauer hinsehen, um die Ähnlichkeit zwischen ihr und Laura
festzustellen – doch unzweifelhaft gab es sie. »Ist mir schon klar. Ich war allerdings
froh, überhaupt mit dem Leben davongekommen zu sein, da hab ich nicht lange an andere
denken können.«
    »Wie lange
bist du auf Tauchstation?«
    »Wochenlang«,
erwiderte sie. »Wochenlang.«
    »Dafür siehst
du – offen gesagt – ziemlich fit aus.«
    »Ich wollte
nicht wie eine Maus in ihrem Loch sitzen, aber im Endeffekt war es natürlich nichts
anderes. Ich ging in Schwimmbäder, um – so komisch das auch klingt – wenigstens
körperlich in Form zu kommen. Das war außerdem wichtig, um regelmäßig duschen zu
können. Das war’s dann auch schon. Billigsupermärkte und Schwimmbäder. Die einzigen
Kontakte zur Außenwelt. Auch wenn man es nicht wirklich Kontakt nennen kann. Ich
habe ständig diesen Chlorgeruch in der Nase. Ein Höhepunkt des Tages war ein Schluck
Grauburgunder aus einem Weinladen. Aber mein Geld neigt sich dem Ende zu. So konnte
es nicht mehr weitergehen, das wusste ich. Doch ich steckte einfach den Kopf in
den Sand.«
    »Warum bist
du nicht zur Polizei gegangen?«
    Nun war
sie es, die lächelte. »Die, die mich nicht mögen, kriegen einen überall. Außerdem
wäre ich bei der Polizei nicht sicherer gewesen. Das war wirklich kein Scherz: Ich
war froh, überhaupt noch zu atmen.«
    »Weshalb
mögen die dich nicht? Weshalb hättest du sterben sollen?« Er merkte, dass
er sich unbewusst weiter nach vorn gebeugt hatte.
    »Es gefiel
ihnen nicht, dass ich …« Sie lächelte traurig. »Wie heißt das heute? Dass ich mich
neu orientieren wollte. Anders ausgedrückt: Ich hatte die Schnauze gestrichen voll.
Zu spät zwar, aber immerhin.« Erneut der Anflug dieses Lächelns. »Ich wollte den
Abflug machen. Wohin auch immer. Einfach bloß weg von denen. Ich weiß: ziemlich
naiv. Denn erst da wurde mir klar, dass man nicht so einfach aussteigen kann.« Ihre
Stimme erklang eine Spur rauchiger in der kühlen Luft, die durch die zerstörten
Fenster hereinwehrte. »Zuerst war es aufregend gewesen. Schon klar – auch das klingt
naiv. Aber so war’s nun mal. Am Anfang dachte ich noch, das Studium wäre ganz okay.
In Wirklichkeit allerdings …« Ihre Worte verstummten, dann setzte sie neu an: »Na
ja, ich lief diesem Typen über den Weg, und der war wenigstens nicht so langweilig
wie die anderen Studenten mit ihrem Kaffee ohne Koffein und ihrem Tee ohne Teein.
Und ihren Öko-Klamotten und ihrem immer gleichen Geschwätz. Die wirkten alle älter
als meine Eltern.«
    »Der Typ
nannte sich Santiago, stimmt’s?«
    »Du hast
ja tatsächlich Nachforschungen angestellt, oder wie du es nanntest.« Sie nickte.
»Durch Santiago lernte ich erst Sergej und dann Michail kennen. Michail, der große
Boss.
    »Wala und
Moja«, bemerkte John.
    »Sergej
Walakov und Michail Mojtovian.« Sie verzog den Mund. »Ich erfuhr, dass Santiago
in Wirklichkeit

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