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Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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bei freibleibender sexueller Ausrichtung; Ziel dieser Unternehmungen war die Pflege des Betriebsklimas durch einen gemeinsam bei Tennis, Golf und Trinken verbrachten Tag. Mary hatte gern eine gewisse Distanz zur Kanzlei gehalten, und Schmidt wußte nicht genau, ob er als Alleinstehender lieber geselliger gewesen wäre. Auch unabhängig von Carrie wäre es doch sehr schwierig, vielleicht sogar unmöglich gewesen, seine einstige Unnahbarkeit vergessen zu lassen und sich in Kameraderie zu üben. Man mußte sich nur vorstellen, Jack und Dorothy DeForrest – oder auch nur der W&KWeltmann Lew Brenner und seine Frau Tina – würden zu einem kleinen Abendessen in Schmidts brandneuem Penthouse eingeladen, um Miss Carrie Gorchuck kennenzulernen. Das Essen sowie den Kaffee und den Kognak würden sie mit Anstand überstehen, obwohl die Männer vielleicht zu unschlüssig wären, um sich wie üblich in einer Wohnzimmerecke zusammenzustellen und über die Firmenfinanzen zu reden, aber danach dann, was für ein Aufstand! Schmidt mit einer Frau, die jünger als seine eigene Tochter ist, ja tatsächlich, jünger als Jon Rikers Ehefrau! Nein, Anwältin ist sie nicht. Ich habe sie nach ihrer Arbeit gefragt, und sie hat kein Geheimnis daraus gemacht: Kellnerin war sie, bis der alte Bock auf den Plan trat und dafür sorgte, daß sie was Besseres zu tun bekam. Schön ist sie, so schön wie der Tag lang ist, unbedingt – und dann mochte, je nach Art dessen, der gerade redete, noch eine weitere bezeichnende Einzelheit folgen –, aber, na ja, einen Klecks Teer hat sie schon abbekommen. Eine Latina oder so. Ja, Puertoricanerin. Ganz gut, daß dieses Problem gar nicht erst aufkam. Die sehr jungen Sozii – und ganz bestimmt die Assistenten – würden finden, die neue Mrs. Schmidt sei spitze. Aber was war Schmidt ihnen, was waren sie ihm?
    Er machte eine äußerst korrekte Wende und sah zur Uhr hinauf. Fünfundzwanzig Minuten. Noch fünf Minuten länger Bahnen zu ziehen war unerträglich, nicht weil es anstrengte, sondern weil es langweilte. Wieder eine dieser täglichen Niederlagen. Das Schwimmen abkürzen, die Übungen zur Straffung der Bauchmuskeln aufgeben, über dem Verfall und Untergang des Römischen Reiches einschlafen. Er kletterte heraus, trocknete sich ab, wickelte sich das Handtuch um die Gürtellinie, aus alter Gewohnheit, obwohl keine Gefahr bestand, daß er von einem unangekündigten Besucher nackt überrascht würde, und legte sich in die Sonne. Einfacher konnte es gar nicht sein: Er war genauso declassé wie Carrie. Da er sich nichts weniger wünschte als die Wiedervereinigung mit seiner Klasse – auch wenn der Verzicht auf Carrie dafür nicht der Preis gewesen wäre –, mußte er sich anderswo nach gesellschaftlichen Kontakten umsehen. Allerdings nicht unter den Kellnerinnen und Tellerwäschern im O’Henry’s, auch nicht bei den zwitschernden Ecuadorianern und Dominikanern, die ihm die Hecken schnitten und die abgebrochenen Äste auflasen. Für die einen war er zu alt, und die anderen sprachen kein Englisch. Nicht geeignet waren auch die komischen Männer und Frauen mit dem überbreiten Lächeln, die in der Gegend Immobilien verkauften, Versicherungen vermittelten oder Zähne notdürftig reparierten, wenn man nicht in die Stadt fahren konnte. Sie waren zu unattraktiv. Er mußte Leute finden, die keiner Klasse angehörten und die ihn – entweder weil ihnen sein Statusverlust gleichgültig war oder weil sie nichts davon verstanden – allein wegen seiner Verfügbarkeit und seines Stils anziehend fanden. Das war ja wohl der einzige Vorteil eines komfortablen Rentnerdaseins. Sie möchten Schmidt zum Lunch einladen? Alles klar! Jemand hat Sie gebeten, bei einer Gala-Benefizveranstaltung für die Oper einen Platz an der Tafel für fünfzehnhundert Dollar zu übernehmen? Schmidties Scheck ist schon unterwegs. Konnte Carries Aussehen ihnen nicht den Weg bahnen? In seiner Jugendzeit hätte die Schickeria sie beide vielleicht aufgenommen, Leute wie die griechischen Schiffseigner, die Mandanten seines Vaters gewesen waren. Gab es noch eine Schickeria, nachdem das El Morocco und das Copacabana verschwunden waren und der Club 21 wie ein Gebrauchtwagen ständig den Eigentümer wechselte? Schmidt setzte sich Artikeln über »Lifestyle« aus, die auf den Innenseiten der New York Times wie ein Gewächs wucherten, und warf gelegentlich auch einen verstohlenen Blick in ein New Yorker Wochenmagazin, dessen Spezialität Artikel über die

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