Schnappschuss
hinter Kellocks Büro.
Ellen verstand dies als Hinweis darauf, Fotos aus der Akte zu ziehen, die sie vor sich liegen hatte, und sie über den Tisch zu schieben.
»Nathan Gent und Trevor Vyner.«
»Nie von ihnen gehört. Nie gesehen«, sagte Lowry.
»Sie waren alle drei gleichzeitig in Townsville auf dem Marinestützpunkt.«
»Na und? Ist ein großer Laden.«
»Im Dienst und außerhalb hatten Sie genügend Gelegenheiten, ihnen zu begegnen.«
Lowrys Rechtsbeistand, der kaum volljährig wirkte, brachte genug Mut auf, um zu sagen: »Mein Klient hat Ihre Frage beantwortet, Sergeant Destry.«
Ellen kümmerte sich nicht um ihn. Sie klopfte auf die Fotos. »Die beiden haben Janine McQuarrie ermordet. Gent war der Fahrer, Vyner der Schütze. Dann hat Vyner Gent umgebracht, um zu verhindern, dass der sich verplapperte, später dann Tessa Kane.« Sie blickte auf. »Sie hatten Streit mit beiden Frauen, Ray.«
Lowrys Anwalt sagte: »Solange Sie keine Beweise dafür haben, dass mein Klient diese Männer kannte oder mit ihnen konspiriert hat, um irgendjemanden umbringen zu lassen, würde ich vorschlagen, Sie lassen ihn gehen.«
»Trevor Vyner«, sagte Challis. »Ehemals bei der Navy, zwei Haftstrafen wegen Betrug und Raubüberfall in New South Wales 2003.«
»Und?«
»Aus der Waffenkammer der Navy sind ein paar Brownings verschwunden. Der Waffenmeister war Ihr Kumpel. Hat Vyner die Waffen direkt von ihm bekommen, oder haben Sie das Geschäft eingefädelt?«
»Mein Klient weiß nichts über irgendwelche verschwundenen Waffen oder diese Morde«, ging der Anwalt dazwischen. »Er hat die Navy schon vor einiger Zeit verlassen und ist angesehener Geschäftsmann.«
Challis sagte kein Wort, sondern starrte Lowry nur an. Sie hatten Vyners Fingerabdrücke am Wagen gefunden, und er hatte ein Paar von Vyners Sportschuhen ins Labor geschickt in der Hoffnung, dass die Spuren von Erde im Profil Vyner mit dem flachen Grab in Myers Reserve in Verbindung brachten. Der Beweis, dass Lowry Vyner tatsächlich angeheuert hatte, durfte aber nicht so einfach zu finden sein. Es gab keine E-Mails, keine Telefonunterlagen, die diese drei Männer miteinander in Verbindung brachten. Andererseits hatte Lowry einen ganzen Laden voller Handys.
In diesem Augenblick trat ein uniformierter Sergeant in den kleinen Raum und bat Challis hinaus in den Flur. »Tut mir leid, Hal, aber vorn steht eine Frau, die behauptet, ihr Mann habe die Morde an McQuarrie und Kane in Auftrag gegeben.«
62
»Ist er immer noch im Internierungslager?«, fragte Challis.
Lottie Mead schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich zu Hause«, antwortete sie. »Charlie kommt meistens gegen sechs Uhr heim.«
»Weiß er, dass Sie hier sind?«
»Nein! Und Sie dürfen ihm nichts davon verraten, erst wenn er eingesperrt ist!«
Challis, Ellen und Lottie Mead saßen in der Opfersuite, weil die Befragungszimmer gerade besetzt waren und sie eine potenzielle Zeugin unmöglich zwischen den Akten und Wandtafeln der Einsatzzentrale befragen konnten. Challis lehnte wie üblich an der Wand, Ellen saß auf der Kante eines Stuhls mit gerader Rückenlehne und Lottie Mead zitternd und missmutig an einem Ende des hässlichen Sofas.
Ellen streckte die Hand aus und berührte die andere Frau zur Beruhigung am Knie. »Hier sind Sie sicher, Mrs. Mead.«
Lottie Mead, die Jeans, Stiefel und eine teuer aussehende Jacke trug, sah trübsinnig zu Boden und blickte dann auf. Challis betrachtete sie eingehend und erinnerte sich an ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem sie nichts von sich preisgegeben und Charlie das Reden überlassen hatte. Sie hatte schmale, eng zusammengepresste Gesichtszüge, so als habe sie nie sonderlich viele Emotionen gezeigt und sei es nun nicht mehr gewohnt. »Sie ahnen ja nicht, wie er sein kann. Wegen ihm hat man auf Sie geschossen«, sagte sie und tat so, als wolle sie Ellen berühren.
Challis beobachtete und hörte genau hin. Lotties südafrikanischer Akzent war recht ausgeprägt: Afrikaanderin, nahm er an, keine Engländerin, schlechte Schulbildung, kein Selbstvertrauen im Umgang mit den Mächtigen. Lottie wirkte demoralisiert, und Challis fragte sich, ob Charlie Mead sie unterjocht hatte. Dennoch musste sie einen Funken Courage und Willenskraft aufgebracht haben, um bei Janine McQuarrie Hilfe zu suchen – die ihr die für sie typisch schlechten Ratschläge gegeben und ihr falschen Mut gemacht hatte.
»Warum sind Sie nicht früher zu uns gekommen? Es ist noch eine Frau ums
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