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Schnapsdrosseln - Kriminalroman

Schnapsdrosseln - Kriminalroman

Titel: Schnapsdrosseln - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Trinkaus
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dachte an das, was sie Britta gerade erzählt hatte. Etwas, das sich wahr angefühlt hatte. Und nicht zu dem passte, was sie jetzt nicht aus dem Kopf bekam. Warum versteckte er sich? Ging nicht einfach, nahm seine Probleme und brachte sie irgendwo anders hin?
    »Wenn sie nicht weg wäre, dann wäre ich nicht hier.« Ihre Stimme klang hart. Böse fast. »Ich kann nicht in mein Haus gehen, wenn jemand da ist. Ich kann niemanden reinlassen, solange du hier bist.« Sie griff nach einem Stuhl. »Sie ist übrigens keine normale Kundin. Sie ist hier, um zu schnüffeln. Deine Frau hat sie engagiert, um dich zu finden. Und der erste Ort, an dem sie sucht, ist ein Volltreffer. Nur gut, dass ich so überzeugend lügen kann.« Sie atmete konzentriert ein und aus, versuchte, sich zu beruhigen. »Norbert, du kannst hier nicht bleiben.«
    Er antwortete nicht. Sah sie nur an.
    »Hast du Anna gehört? Du musst sie gehört haben. Sie war laut genug. Es ist hellhörig. Sehr hellhörig. Ich habe permanent Angst, dass du etwas fallen lässt hier drin. Eine Tür knallst …« Sie holte Luft. »Anna dreht durch. Sie ist am Ende, Norbert. Und ich habe sie angelogen. Ich habe ihr ins Gesicht gelogen, genau wie dieser Britta. Ich will das nicht! Ich bin auf deiner Seite, aber das macht alles nur noch schlimmer.«
    »Ich kann nicht.« Seine Stimme klang überraschend ruhig. »Ich kann nicht zur Polizei.«
    »Warum nicht?« Stefanie wollte das nicht fragen. Sie hatte Angst vor der Antwort.
    Er sah ihr in die Augen, einen Moment ganz fest. »Ich kann denen nicht die Wahrheit sagen.«
    »Warum nicht?«, wiederholte sie.
    »Das weißt du.«
    »Nein, das weiß ich nicht.« Stefanies Nackenmuskeln verkrampften sich.
    »Ich war da.« Die Worte schienen sich langsam auszubreiten, Schallschlieren in der Luft.
    Stefanie starrte ihn an. »Was meinst du?«
    »Ich liebe dich.« Er sprach schnell, fürchtete offenbar, dass sie ihn unterbrechen würde. »Ich weiß, dass du mich nicht liebst, aber das ändert nichts. Ich kann nicht zurück. Nicht nur weil ich Anna nicht in die Augen sehen kann. Was soll ich ihr denn sagen? Ich liebe dich nicht? Ich habe dich nie geliebt, ich habe dich trotzdem geheiratet? Habe damit versehentlich dein Leben ruiniert?« Er ballte die Hände zu Fäusten. »Es ist, wie es ist. Ich tue alles für dich, und ich erwarte keine Gegenleistung. Aber gib mir ein paar Tage. Zwei oder drei. Bis ich weiß, wo ich hin soll. Bitte.«
    Bitte mich nicht, dachte sie und versuchte, den Rest seiner Worte zu ergründen. Ich war da. Sie verstand ihn falsch, ganz bestimmt, sie musste fragen, nachhaken, sie musste wissen, was er meinte.
    Sie konnte nicht.
    Er ging an ihr vorbei, und sie hörte, wie die Tür des kleinen Gästezimmers ins Schloss fiel.
    Es war gut, dass er dort weinte. Es war rücksichtsvoll. Und doch hasste sie ihn dafür. Dafür, dass sie wusste, dass er weinte, und dass sie sich erpresst fühlte von seiner Schwäche. Waschlappen, dachte sie. So hatte Bernd ihn genannt, kürzlich erst, und sie war wütend geworden und hatte ihm verboten, so über Norbert zu reden. Weil Norbert Norbert war. Weil sie Norbert liebte. Nicht so, wie er es sich wünschte. Auf ihre Art.
    Sie liebte nicht die Schwäche. Die Unfähigkeit, sich Dingen zu stellen. Aber das gehörte zu ihm. Auch Bernd hatte Seiten gehabt, Dinge getan, die sie gehasst hatte. Er hatte seine Gründe, alle hatten ihre Gründe, gute und schlechte. Irgendwann renkten sich Dinge ein. Aber nicht bei Bernd. Für Bernd war es zu spät, er war tot, und sie wollte nicht daran denken, nicht an den Abend, nicht an das Blatt Papier, nicht an Streit und Hass und die leere Stelle im Fotoalbum. Ich war da, hatte er gesagt. Ich war da.
    Sie trat zum Tisch, ließ sich auf einen Stuhl fallen. Sie war genauso ein Feigling wie er. Keinen Deut besser als Norbert.
    Nicht weil sie ihn nicht vor die Tür setzen konnte. Sondern weil sie nicht imstande war, das aufzugreifen, was sich so hartnäckig in ihre Gedanken drängen wollte. Es gab Dinge, an denen durfte sie nicht zweifeln. Weil dann alles auseinanderbrach. Sie durfte nicht an das denken, was hätte sein können. An das, was zerstört war.
    Sie musste vielmehr an anderes denken.
    Das Dach vom Schuppen zum Beispiel, neben dem Hühnerstall. Das Dach war nicht in Ordnung. Sie musste es reparieren. Musste den Hühnerstall kontrollieren. Die toten Hühner begraben, irgendwo, wo niemand sie sehen konnte.
    Der Gedanke erfüllte sie mit absurder

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