Schnapsdrosseln
angefühlt, wie in diesem Moment hier zu stehen, Elsa Nolden bei ihren verzweifelten Schlägen zuzusehen und dabei an die Anatomie des Hundepenis zu denken.
Pollux zuckte unter dem dritten Hieb der Leine so, dass er von Fipsis Rücken glitt. Jupp griff blitzschnell nach seinem Halsband und zerrte ihn zur Seite. Fipsi winselte beleidigt.
Jupp befestigte die Leine an Pollux’ Halsband und ignorierte das wütende Zerren des Hundes. Elsa Nolden hatte Fipsi unsanft am Nackenfell gepackt.
»Nehmen Sie sie an die Leine«, rief Jupp. »Sie tun ihr ja weh!«
Sie warf ihm einen giftigen Blick zu, tat aber, was er gesagt hatte. »Ein Zuchttier«, wiederholte sie. »Reinrassig! Wenn jetzt etwas passiert ist, wenn …«
Jupp wollte sie anschreien. Ihr einen Vortrag halten darüber, was er von Leuten hielt, die seinen Pollux mit einer Lederleine schlugen, während der arme Kerl gerade … Nein! Es ging nicht. Er musste kondolieren. Jetzt. Jetzt sofort. Umgehend.
»Es tut mir leid«, hob er an.
»Das sollte es auch!«, fauchte sie zurück.
Nein, wollte er sagen, das doch nicht, aber er kam nicht dazu. Elsa Nolden hatte sich einfach umgedreht. Sie zerrte Fipsi, deren Kopf sich verzweifelt in Richtung Pollux wandte und die sich die Seele aus dem Leib kläffte, hinter sich her, den Weg hinunter in Richtung Ort.
»Um Himmels willen, was war das denn?«, hörte er eine Stimme hinter sich. Er drehte sich um und sah sich einer Frau gegenüber, die ihm bekannt vorkam.
»Entschuldigung, ich wollte Sie nicht erschrecken«, sagte sie, und Jupp fiel ein, dass er sie heute Mittag bei Ingeborg getroffen hatte.
»Was tun Sie denn hier?«
»Ich gehe spazieren.« Sie streckte ihm eine Hand entgegen. »Margot Pütz, wir haben uns vorhin …«
»Ich weiß, ich weiß.« Jupp ergriff die Hand und schüttelte sie. »Wo ist denn Ihr Hund?« Er sah sich suchend um. Nach der sonderbaren Szene eben war er froh, jemanden zu treffen, mit dem ein normales Gespräch möglich war.
»Es ist nicht meiner, er gehört eigentlich meiner Freundin«, erwiderte Margot. »Das war Frau Nolden, oder?«, wechselte sie dann das Thema. »Die Mutter von …«
Jupp runzelte die Stirn. »Wieso interessiert Sie das?«, fragte er misstrauisch.
Margot Pütz lächelte und trat einen Schritt näher. »Ich darf das eigentlich nicht sagen«, raunte sie. »Aber Sie kommen mir vor wie jemand, der ein Geheimnis für sich behalten kann. Ich bin quasi mit den Ermittlungen betraut. Ich hatte eigentlich vor, sie anzusprechen, Frau Nolden, aber sie wirkte etwas … unnahbar.«
»Sie sind von der Polizei?« Jupp sah Margot Pütz ungläubig an. Sie lächelte erneut, ging dann in die Hocke und begann Pollux, der interessiert an ihr herumschnüffelte, zu kraulen. Nette Frau, dachte Jupp, blond und handfest, so, wie er es mochte. Mit der roten Lederjacke und den farblich passenden Cowboystiefeln sah sie allerdings nicht wie eine Polizistin aus.
Sie kehrte zurück auf Augenhöhe. »Nicht direkt«, bestätigte sie seinen Gedanken. »Ich bin so etwas wie eine Externe. Nicht wirklich offiziell, wenn Sie verstehen.«
Das tat Jupp nicht, aber er nickte trotzdem.
»Leider ist Frau Nolden offenbar in keinem guten Zustand. Das ist natürlich kein Wunder, angesichts der Umstände.«
»Das hat nichts mit den Umständen zu tun«, entfuhr es Jupp. »Ich meine – natürlich, das ist alles ganz furchtbar, sie ist sicher verzweifelt. Aber eigentlich ist sie immer so.« Er sah auf die Uhr. »Ich habe keine Zeit mehr«, sagte er nicht ohne Bedauern. »Chorprobe, ich muss vorher noch den Hund nach Hause bringen.«
»Netter Hund«, sagte Margot. »So im Vergleich …« Sie blickte in die Richtung, in die Elsa Nolden verschwunden war. »Haben Sie was dagegen, wenn ich Sie ein Stück begleite?« Ohne auf eine Antwort zu warten, hakte sie sich bei ihm unter. »Ich gehe ja in dieselbe Richtung, dann können wir noch ein bisschen plaudern.«
NEUN
Die Küken waren längst zu groß, um sich unter dem Gefieder der Glucken zu verkriechen. Sie hockten nebeneinander auf der Stange, kuschelten sich dicht aneinander. Stefanie hielt einen Moment inne und betrachtete das anheimelnde Bild. Schutz, Wärme, Sicherheit. Die Hühner erklärten den Tag für beendet, zufrieden mit sich und der Welt.
Der Alkohol, der durch ihren Kopf waberte, verwischte die scharfen Konturen, half, das zu sehen, was sie gerade sehen wollte. Ordnung nämlich, allerbeste Ordnung.
Sorgfältig schloss sie Tür und Klappfenster, schob
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