Schnapsdrosseln
eigentlich stehst!«
»Trallala«, sagte Britta. »Ich ärgere mich nicht. Ich höre dich gar nicht, weißt du? Trallala!« Sie wandte sich demonstrativ an Margot. »Was ist mit der Alten? Mit Elsa Nolden?«
»Da bin ich ein bisschen ratlos. Vielleicht lag es daran, dass sie voll war wie eine Haubitze. So ein Frühschoppen mit Cognac haut rein. Sie ist fertig mit der Welt, ganz sicher. Aber es war komisch. Sie war … ich weiß nicht – irgendwie sprunghaft. Wirr. Die einzig gradlinige Reaktion hat sie gezeigt, als ich Stefanie erwähnt habe. Da hat sie gegiftet wie ein Fischweib. Ihr Sohn mag Stefanie ja innig geliebt haben, aber in Elsa Noldens Augen ist sie ganz eindeutig ein Miststück. Ich kann mir vorstellen, dass Nolden es auch nicht ganz leicht hatte als Kind. Apropos Kind …« Sie sah Britta fragend an. »Was ist mit Stefanies Kind?«
»Sie hat kein Kind erwähnt.«
»Jetzt erzähl mir bitte nicht, dass du nicht danach gefragt hast! Ich habe dich doch extra angerufen!«
»Das ist alles nicht so einfach«, verteidigte sich Britta. »Sie hat mich beim Schnüffeln erwischt. Sie hätte mich einfach rauswerfen können. Stattdessen hat sie mit mir geredet, hat mir Sachen erzählt, ganz offen und ehrlich und … Es war nicht so, dass ich sie verhören konnte. Oder wollte …«
»Du hast es vergessen«, unterbrach Margot.
»Nein«, behauptete Britta. »Nicht wirklich. Nur … da wohnt kein Kind. Ganz sicher nicht.«
»Dass da kein Kind wohnt, heißt ja nicht, dass da kein Kind ist. Kinder können überall sein. Im Internat, im Heim, im Knast, bei Pflegeeltern. Sogar bei ihrem Vater …«
»Ich frage sie«, versprach Britta halbherzig. »Wenn sich die Gelegenheit ergibt, dann frage ich sie.«
Sie legte den Kopf in den Nacken und sah einen Moment in die grünen Baumkronen, in denen goldene Lichtreflexe spielten. Dann seufzte sie schwer. Sie versuchte, die Gedanken wegzuschieben, die ihr nicht gefielen. Es war sonderbar, dass Stefanie das Kind nicht erwähnt hatte. Es hätte in die Geschichte gehört, ganz sicher. Eine Möwe flog kreischend in Richtung Rhein. Der Anblick erinnerte Britta an das andere Unbehagen. Dieser Eimer, die Hühner. Sie hatte nicht viel Ahnung von bäuerlicher Landwirtschaft, aber diese Hühner waren keinem Fuchs oder Marder zum Opfer gefallen. Da war kein Biss gewesen, kein Blut. Und es war Stefanie unangenehm gewesen, dass sie die Hühner gesehen hatte. Sie hätte das sagen sollen, jetzt, es mit Margot und Agathe teilen. Aber sie wollte nicht noch Öl ins Feuer gießen.
Bevor sie sich die Sache anders überlegen konnte, begann Margots Handy zu klingeln. Die nahm den Anruf entgegen, lauschte kurz, lächelte dann.
»Danke«, sagte sie. »Das ist nett von dir. Ich melde mich wieder.« Sie beendete das Gespräch. »Das war mein neuer Freund Jupp«, erklärte sie strahlend. »Langsam kommt Leben in die Bude. Er hat mir erzählt, dass Maxi Nolden und Anna Reuter sich auf offener Straße geprügelt haben!«
SIEBZEHN
Es stank im Wartezimmer. Eine grässliche Melange aus tierischen Ausdünstungen und Desinfektionsmittel. Elsa war übel. Ihr Rücken schmerzte, ihr Kopf dröhnte. Fipsi hatte sich unter ihrem Stuhl verkrochen, beäugte von da den ekelhaften Boxer, dem fortwährend Sabber aus dem Maul und Rotz aus der Nase lief. Außerdem hockte da noch ein Mädchen, auf dem Schoß einen Käfig, in dem eine dürre, zitternde Maus vergeblich versuchte, sich im Streu einzugraben.
Elsa schloss die Augen, versuchte all das auszublenden. Ihr tat jeder Knochen im Leib weh. Sie war auf dem Sofa eingeschlafen, einfach so, völlig erschöpft. Sie hatte wirr geträumt. Oder auch nicht. Als sie aufgewacht war, hatte da ein zweites Glas auf dem Tisch gestanden. Vielleicht war diese merkwürdige Frau tatsächlich da gewesen, die Zeugin, vielleicht hatte sie, Elsa, auch wirklich mit Maxi telefoniert. Sie wusste es nicht. Sie konnte nicht darüber nachdenken.
Sie dachte daran, wie sie in die Küche gegangen war, um sich Kaffee zu machen. Sie hätte fast der Schlag getroffen.
Nicht nur Hundepisse, nein, Fipsi hatte sich auch auf andere Art erleichtert. Erbrochenes und Hundescheiße. Elsa hatte würgen müssen, als sie die Bescherung wegputzte. Aber es war gut gewesen. Hatte sie bestärkt in dem Entschluss, dass es so nicht weiterging.
Ihr Kopf war bleischwer. Aber es half alles nichts. Sie musste handeln. Musste endlich etwas unternehmen.
Ob er denn krank wäre, der Hund, hatte die schnippische
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