Schnarchen heilen
großem Eifer ein Menuett und zwölf Forlanas. Dann warf er sich atemlos auf ein Sofa, schloss die Augen und „schnarchte, worauf jeder den Schlaf des Pierrots respektierte.“ Die Anwesenden aber wussten: NARE RESONANTES INTERDUM SUNT VIGILANTES.
Natürlich gibt es das willkürliche Schnarchen als Gemütsausdruck oder Lautsprache im Wachzustand. Früher konnte es im Mittelmeerraum schon einmal zum Ausdruck öffentlicher Missbilligung oder Abwehr werden. Darauf bezieht sich wohl das obskure spanische Sprichwort RONCALDE, QUE DEL ALMANDRA VIENE – Schnarcht ihn an, er kommt vom Thunfischfang! Offenbar waren in Südspanien die Thunfischfänger vor allem Vagabunden und gesellschaftliche Außenseiter, die immer dann, wenn sie sich unter die gute Gesellschaft mischen wollten, von dieser angeschnarcht worden und sehnten sich danach, auch einmal so fein und kultiviert sein zu können, um ihrerseits Außenseiter anzuschnarchen. (Vorsicht, übrigens, bei solchen Gelegenheiten vor einem Rhonchusspasmus. Dabei handelt es sich um einen bei Hysterie auftretenden krampfhaften Schnarchanfall.)
Zum Thema NARE RESONANTES INTERDUM SUNT VIGILANTES zählt auch das „gelassene Schnarchen“. Im alten Rom scheint es üblich gewesen zu sein, das Schnarchen als eher unmännlich einzustufen. So setzte Cato einmal einen römischen General mit den Worten herab: „Sein Schnarchen ist lauter als sein Schlachtruf.“ Interessant in dem Zusammenhang ist, was der Dichter Plutarch in seiner Lebensbeschreibung eben dieses Cato, der das Schnarchen offenbar so verachtete, festgehalten hat.
Am Abend vor seinem Freitod begab sich Cato in seine Schlafkammer. Seine Angehörigen und Untertanen umgaben ihn heulend und zähneknirschend, denn sie wussten, dass ihm nur der Selbstmord blieb, um den Häschern des Kaisers zu entgehen. Nachdem er alle der Kammer verwiesen hatte, brachte ihm ein kleiner Junge sein Schwert. „Cato nahm es, zog es aus der Scheide und prüfte es. Als er sah, dass die Spitze gut zugeschliffen war, sagte er: Jetzt bin ich mein eigener Herr. Dann legte er das Schwert zur Seite und begann zu lesen. Danach schlief er so tief, dass sein Schnarchen bis vor die Kammer zu hören war.“
Am folgenden Morgen stieß er sich das Schwert in die Brust. Wir verstehen: Keineswegs litt Cato in dieser Nacht in Erwartung seines Freitods, gequält von Zweifeln, schlotternd vor Angst, unter Schlaflosigkeit. Nein, er schlief den Schlaf des Gerechten. Da aber die gelassenen ruhigen Atemzüge eines Schlafenden nicht vor die Kammer gedrungen waren, schnarchte er, um der Nachwelt seine Kaltblütigkeit zu beweisen. Man sollten von ihm bis in alle Ewigkeit sagen können: Der Typ war cool und schnarchte bis zuletzt. Und doch dachten wahrscheinlich alle: NARE RESONANTES INTERDUM SUNT VIGILANTES.
Das Vorbild des großen Cato mag einen der späten römischen Kaiser, Marcus Otho, dazu verführt haben, seinen Freitod auf ähnliche Weise zu gestalten. Dieser Mann, von dem Plutarch anmerkt, er habe „nicht besser als Nero gelebt und doch weit edler geendet“, wird ehrfürchtig beschrieben, wie er am frühen Morgen ins Schwert stürzte nach einer Nacht, in der er „von einem so tiefen Schlaf befangen war, dass ihn die Offiziere vor der Schlafkammer schnarchen hörten.“
Nun, wir wissen es besser. NARE RESONANTES etc.
Im Schrifttum der alten Griechen wird das Schnarchen häufig gleichgesetzt mit Pflichtvergessenheit. Der Schnarcher entzieht sich einer unerträglichen Welt und zieht dabei den Neid der Wachgebliebenen auf sich. Schon in einer der frühesten erhaltenen Schriften, der Komödie „Die Wolken“ aus dem Jahre 419 v. Chr., lässt der Dramatiker Aristophanes gleich in der ersten Szene einen Schlaflosen klagen: „Oh ihr Götter! Geht diese Nacht nie zu Ende? Wird es denn nicht mehr Tag? Der Hahn hat schon lange gekräht, und meine Sklaven schnarchen immer noch! Ah! Ah! Früher war das anders. Verfluchter Krieg! Hat er mir nicht genug geschadet? Nicht einmal meine Sklaven darf ich mehr züchtigen. Und besonders dieser Bursche da, wickelt sich in fünf Decken ein und schläft jede Nacht, komme was wolle, gnadenlos durch! Wie herrlich wäre das, wenn man einmal so könnte wie er: sich einfach zusammenkuscheln und schnarchen.“
Der Neid auf den, der sich schnarchend der Realität entziehen kann, wird auf dem Schlachtfeld zu kalter Schadenfreude. Wer hier schnarchend schläft, verspielt sein Leben. Das war der kleine bittere Triumph
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