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Schnarchen heilen

Schnarchen heilen

Titel: Schnarchen heilen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Med. Berndt Rieger
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Roman nicht mehr die Pflichtvergessenheit im Überlebenskampf, sondern Ausdruck des Faktums, dass man sich in der Entwicklung der westlichen Zivilisation Lebenszeit erkämpft hat, die nur zum Genuss bestimmt ist. Das Schnarchen ist der erste Vorbote der Freizeit und markiert damit den Beginn der Neuzeit.
     
    Da kann es nicht verwundern, dass frühere Schilderungen von Schnarchern dieses Schnarchen beinahe zum Idealbild der Geruhsamkeit erheben. Man kennt noch keine Schlafapnoen, man kennt nur selige Schnarchen. Auch Goethe scheint das später noch so gesehen zu haben, wenn er im zweiten Teil des „Faust“ auf das Wort: „Sanft hat der Schlaf den Holden übernommen“ den Gesprächspartner antworten lässt: „Er schnarcht nun gleich, natürlich ist's, vollkommen.“ Wer so schnarcht wie dieser glückliche Schläfer, dem ist sein Gewissen ein gutes Ruhekissen. So einen Schnarche an seiner Seite hatte schon Robin Hood, nämlich Bruder Tuck, dessen „sanftes Schnarchen“ zeigte, dass er seinen Schlaf „genoss mit einem Geräusch, als würde jemand ganz langsam Holz sägen.“ Ein ähnlicher Fall ist Porthos, einer der drei Musketiere. Er ist fettleibig, trinkfreudig und wäre in früheren Heldenepen schon auf der ersten Seite von drahtigen Degenstechern durchbohrt worden. Nun darf er bei Alexandre Dumas nicht nur als Dicker seinen Mann stehen, sondern tut das besonders großartig. Zu jeder Zeit tief schlafen zu können, um dann in Sekundenschnelle zu erwachen und mit flinker Klinge Feinde abzuschlachten, ist es ein Gütezeichen geworden und fast so etwas wie eine Wiederkehr des „gelassenen Schnarchens“ eines Cato. Was dort aber ein theatralisches Zurschaustellen von Gelassenheit war und wenig mehr als letzte Finte, ein Schauspielertrick, um das Angedenken der Nachwelt zu beeinflussen, vielleicht sogar nur die Erfindung eines Biographen, der ein Bild der Gelassenheit vor dem Tode suchte, ist iim Falle von Porthos das Schnarchen eine Grundeigenschaft, etwas Bezeichnendes, die gelebte Kaltblütigkeit. Während andere zittern oder sich zumindest erregt beraten, heißt es von Porthos, „er hatte ein tiefes, harmonisches Schnarchen, und die Leute konnten inmitten seines lauten Basses reden, ohne befürchten zu müssen, ihn dabei zu wecken.“
    Dabei bleibt es zweifelhaft, ob das Schnarchen für einen Kämpfer auch in der Neuzeit besonders vorteilhaft war. Man muss nur in Karl Mays „Deutsche Herzen, deutsche Helden“ folgendes lesen: „Die Gefahr, entdeckt zu werden, war groß. Sie krochen am Boden hin, am ersten Zelte vorüber. Im Inneren desselben ertönte ein lautes Schnarchen. Das war ein gutes Zeichen. Wenn alle so fest schliefen wie dieser Schnarcher, so musste das gewagte Unternehmen gelingen.“
    Das Schnarchen hat wahrscheinlich so manchen Truppenteil verraten und so manche Schlacht entschieden. Es markierte eine Truppe, die nicht einsatzfähig war und womöglich im tiefen Schlaf übertölpelt werden konnte. Es verriet im Dunkeln den Feind, bevor man auf ihn stieß. Es zeigte durch Lautmarkierungen die genaue Lokalisation von Stellungen an. Wahrscheinlich konnte man den Verlauf von Schützengräben erahnen, indem man die Lautpunkte von Schnarchern gedanklich zu einer Linie verband.
    Dass Schnarchen tatsächlich als militärisches Problem erkannt wurde, wissen wir vom amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. So nähte man damals Soldaten, die als Schnarcher bekannt waren, Kanonenkugeln in die Rückseite der Uniform, damit sie sich im Schlaf nicht auf den Rücken drehten und die Truppe durch Schnarchen verrieten. Eine solche Kugel findet man heute im Schnarchmuseum in Alfeld in Niedersachsen.
     
    Ein differenzierteres Bild des Schnarchens entsteht erst in der Literatur des 19. Jahrhunderts. Dass wieder ein neues Menschenbild vorherrscht, und dass das Schnarchen eines Sancho Pansa längst verstaubt ist, erkennt man schon an Henry David Thoreaus Bemerkung: „Warum sollen wir immer das Naheliegende vorziehen und mit der Bezeichnung Hausverstand adeln? Schließlich ist der beste Hausverstand der von schlafenden Männern, und den drücken sie durch Schnarchen aus.“ Ambrose Pierce definiert in seinem „Wörterbuch des Teufels“ einen Gemeinplatz als „schnarchenden Gedanken in rauchenden Wörtern“. Schnarchen ist für ihn das Gewöhnliche, Gemeine. Das Schnarchen wird banal, zur nicht weiter bemerkenswerten Nebensache, wenn es auch erstmals Hinweis auf die tröstliche Komponente des Schnarchens gibt, wie

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