Schnee an der Riviera
sehen. Ich muss mit ihr reden. Sie muss mir endlich die Wahrheit sagen!«, stieß er am Ende aus.
»Das letzte Mal, als ihr euch gesehen habt, gab es ein ganz schönes Chaos. Es ist ja schon riskant, das Haus zu verlassen, wie ihr zwei es heute getan habt, auch wenn ich zugeben muss, dass es schwer ist, bei diesem Wetter drin zu bleiben. Aber Monica treffen ... ganz abgesehen davon, dass die Pittalugas sie sicherlich sorgfältig unter Verschluss halten.«
Mau zuckte mit den Schultern.
»Da gibt es Mittel und Wege. Wir wussten schon immer, wie man das umgehen kann.«
»In normalen Zeiten vielleicht. Aber nach allem, was passiert ist, dürfte es nicht mehr so leicht sein. Außerdem ist Albini ein gefährlicher Mann, und Federica hat gesagt, dass er sie nicht aus den Augen lässt. Du sagtest, Monica sei nicht erstaunt gewesen, ihn in der Villa Caterina zu sehen. Vielleicht wollte sie dorthin, um ihn zu treffen ...«
Mau wurde grün im Gesicht. Die Verdächtigungen, die seine Mutter andeutete, trafen ihn tief. Wahrscheinlich hatte er sich dieselben Fragen auch schon gestellt. Trotzdem oder gerade deswegen wurde er wütend.
»Du kannst sie einfach nicht leiden«, giftete er. »Du traust ihr ja alles zu, nur weil sie reich ist und wie ein Snob rüberkommt und du nur ein kleinbürgerlicher Spießer bist, ein Landei. Ein stinkkonservativer Bulle, der immer überall das Böse sieht. Aber Monica ist nicht so, wie du denkst.«
Er sprang auf, dass der Sessel beinah umkippte, und verschwand in der Wohnung. Nelly und Carlo blieben allein auf der Terrasse zurück. Nach ein paar Minuten fragte Carlo in die Stille hinein:
»Warum musstest du ihn so provozieren, Nelly? Was, meinst du, erreichst du damit, wenn du sie ihm als eine Art schwarze Witwe präsentierst?«
»Ach was, schwarze Witwe! Es gibt einfach noch offene Fragen. Das ist alles. Ich bin diese Geschichte leid, lass uns schlafen gehen.«
Carlo und sie betteten sich wie immer auf dem großen Schlafsofa im Wohnzimmer, während Maurizio sich schon auf das Gästesofa in Carlos winzigem Studio zurückgezogen hatte. Aber er fand keine Ruhe. Verzweifelt drehte er sich von einer Seite auf die andere. Als er endlich einschlief, gegen drei Uhr morgens, quälten ihn eine Reihe von Albträumen, die erst mit der Morgendämmerung verschwanden und ein Gefühl von Schwere und Unbehagen zurückließen. Er hatte nur noch einen Gedanken im Kopf: sich mit Monica zu treffen, die Sache endgültig aufzuklären. Sich von dem Zweifel zu befreien, der ihm die Kehle zuschnürte.
NEUNTER TAG
Morgen
Valeria lächelte sie schüchtern an, wie immer in den letzten Tagen. Nelly unterdrückte mühsam die gereizte Reaktion, die der treue Hundeblick der Frau mittlerweile bei ihr auslöste. Sie wusste, dass Valeria sie gern hatte, und wollte sie nicht vor den Kopf stoßen.
»Neuigkeiten, Valeria?«
»Ein Anruf von einem gewissen Basile, Commissario. Er hat mir die Nummer einer Bar gegeben und gesagt, es sei dringend und sehr wichtig. Sie sollen ihn so schnell wie möglich zurückrufen.«
Nelly forschte kurz in ihrem Gedächtnis, ohne ein Gesicht zu finden, das zu dem Namen passte. Sie war Lichtjahre von Beppes Weinlokal entfernt, und es dauerte, bis der Groschen fiel. Der pensionierte Carabinieri-Brigadiere, was konnte der nur wollen? Die beste Art, dies herauszufinden, war, ihn anzurufen. Beppe war am Apparat, und kaum hatte er ihre Stimme erkannt, sagte er: »Ich reiche Sie mal an Brigadiere Basile weiter, Dottoressa.«
Basiles Stimme klang durchs Telefon anders als sonst. Jünger und energischer, als es seinem Alter entsprach. Warum war ihr das noch nie aufgefallen?
»Dottoressa? Ich habe interessante Neuigkeiten für Sie. Können wir uns auf der Piazzetta treffen, in einer halben Stunde?«
Den Namen des kleinen Platzes in der Altstadt flüsterte er nur. Nelly sagte zu und starrte dann nachdenklich den Staub an, der auf einem Regal an der Wand vor ihrem Schreibtisch in der Sonne schimmerte. Was konnte Basile ihr zu sagen haben? Hauptsache, er vergeudete nicht ihre Zeit ... auch wenn im Moment nicht wirklich viel zu tun war. Aber ja, Basile oder die Kristallkugel, eins so gut wie das andere. Sie lachte bitter auf und erntete dafür einen besorgten Seitenblick von Valeria, die gerade mit einer Tasse Kaffee für sie hereinkam. Die Fürsorglichkeit der Beamtin, die sie gerade noch genervt hatte, rührte plötzlich ihr Herz.
»Danke, meine Liebe. Du bist so nett und geduldig mit mir, und
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