Schnee an der Riviera
die all diese Schweinereien begangen haben.«
»Es wäre verdammt interessant zu wissen, wer da in die Wohnung gegangen ist. Das brächte uns wirklich voran, obwohl ich ein paar Vermutungen habe.«
»Meine Informanten sagen, in der Wohnung herrsche ein reges Kommen und Gehen, mit einigen Konstanten: der Mann vom Zeitungsfoto, dieser Hausmeister der Pittalugas, Matteo Albini, und der andere, den Sie ... der in der Schießerei ums Leben gekommen ist«, verlegen machte er eine Pause, doch Nelly zeigte keine Gefühlsregung, »und ein paar Frauen.«
»Das Mädchen aus der Zeitung, Monica Pittaluga? Haben Sie die hier reingehen sehen? Die von dem Bild im Schlafzimmer?«
Nellys Stimme klang so aufgeregt, dass Basile sie erstaunt ansah.
»Von ihr war nicht die Rede. Wohl aber von anderen Frauen. Von vielen, die sich wahrscheinlich mit dem Toten trafen. Als er noch lebte, natürlich«, fügte er schnell hinzu, als er sich seiner ungewollt komischen Bemerkung bewusst wurde. Aber Nelly hatte derzeit keinerlei Sinn für Humor und verzog keine Miene.
»Ich werde Ihnen die Fotos zukommen lassen, damit Sie sie Ihren Informanten zeigen können.«
»Dottoressa, wir hatten heute Pech – oder Glück, wie man’s nimmt, mir wurde gesagt, dass sich dort schon tagelang niemand mehr hat blicken lassen.«
Das glaubte ihm Nelly sofort.
»Und was haben Sie nun vor, mit der Wohnung?«
»Überprüfen, ob Paco Vennaros Schlüssel zu den Türen passen, zur Haustür und der linken Wohnungstür, zumindest. Und das Haus heimlich überwachen lassen, um zu sehen, wer dort ein und aus geht. Und zuallererst natürlich prüfen, wem es gehört oder wer Mieter ist.«
Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch Basiles Hand packte sie am Arm und zog sie schnell in den Schatten des Hauseingangs, in dem sie sich auch damals vor ihrem vermeintlichen Verfolger versteckt hatte. Aus Richtung der Piazzetta kam jemand schnell den Carruggio herabgelaufen. Ohne sich umzusehen, ging die Person an ihrem Versteck vorbei. Nelly traf fast der Schlag. Es war Federica Pittaluga. Sie weinte haltlos. Die Tränen kamen unter den großen Gläsern der Sonnenbrille hervor und rannen ihr still über die Wangen. Basile bemerkte die Überraschung der Kommissarin.
»Und schon ist uns ein Fisch ins Netz gegangen«, kommentierte er mit leiser Stimme.
»Und was für einer!«, fügte sie hinzu.
Nun erst setzte sich das Gesamtbild von Albini und Federica in ihrem Geist zusammen, bis ins Detail, auf dem großen, nachtblauen Bett, beide nackt in den Seidenlaken, sie mit orgiastisch entrückter Miene. So wenig ihr Matteo Albini gefiel und behagte, empfand sie doch zum ersten Mal eine Art Komplizenschaft, ein tiefes weibliches Verständnis für Federica.
»Sie ist kein kalter Fisch, sie ist letztendlich auch eine Frau aus Fleisch und Blut«, dachte sie, und dieser Gedanke mischte sich mit der Schadenfreude, dass dieser Großkotz Gianandrea mit wohlverdienten, schweren Hörnern auf dem kahlen Haupt herumlief.
»Brigadiere, Sie waren mir eine außergewöhnlich große Hilfe, und wenn Sie noch etwas hören, wissen Sie ja, wo Sie mich finden.«
Basile wirkte plötzlich zehn Jahre jünger. Seine Augen blitzten, die Wangen waren vor Aufregung gerötet.
»Darauf können Sie sich verlassen, Dottoressa Rosso. Es war mir wirklich ein Vergnügen.«
Nachdem sie sich von dem Mann verabschiedet hatte, der direkt zu Beppes Bar ging und dabei zehn Zentimeter über dem Erdboden zu schweben schien – er war glücklich, auch wenn er sein Geheimnis niemandem anvertrauen durfte –, kehrte Nelly ins Polizeipräsidium zurück. Sie dachte immer noch an Federica, an ihr hemmungsloses Weinen. An ihre ungewohnte Kleidung, Jeans, Männerhemd, die pathetische dunkle Brille, die dennoch ihren Gefühlsausbruch nicht verbergen konnte. Was war nur der Auslöser gewesen? Und wenn sie sich irrte, wenn es nicht Federicas Liebesnest gewesen war, sondern Monicas? Wenn die Mutter es entdeckt hatte? Sie musste Tano über alles informieren. Tano? Ja, so nannte sie ihn bei sich, bei diesem neapolitanischen Gangster-Vornamen. Eine kurze Verwunderung überkam sie, die schnell wieder von ernsteren Gedanken abgelöst wurde. Die Entdeckung der Wohnung hatte sie wie elektrisiert. Sie verscheuchte auch die albernen Gedanken an Federicas und Matteos Liebesspiele und an den gehörnten Gianandrea, die, wie sie fand, unter der Würde einer ernstzunehmenden Polizistin waren. Dennoch lächelte sie bei sich, als sie das Büro
Weitere Kostenlose Bücher