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Schneebraut

Schneebraut

Titel: Schneebraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ragnar Jónasson
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sich die Sache überlegt und ist bereit, die Hauptrolle zu übernehmen, obwohl die Zeit knapp ist.« Er schaute Leifur an.
    Leifur lächelte schüchtern und schaute erneut über den Saal. Pálmi zeigte keinerlei Reaktion, war wahrscheinlich darüber in Kenntnis gesetzt worden, aber andere Anwesende schienen etwas erstaunt zu sein. Hatten vermutlich nicht erwartet, dass er sich eine solche Aufgabe zutrauen würde.
    »Doch … ich denke, dass ich es retten könnte.« Er hatte es sich am Abend vorher überlegt. Er beherrschte den Text ziemlich gut, hatte ihn bereits gelernt als Ersatz für Karl, hatte sich zusätzlich freigenommen bis zum Wochenende, um sich vorzubereiten. Er wollte sein Bestes geben.
    Er dachte an seinen Bruder – der wäre jetzt stolz auf seinen kleinen Bruder gewesen.
    Leifur spürte, wie sein Selbstvertrauen wuchs. Vielleicht sollte er die Gelegenheit nutzen und nach der Premiere mit Anna etwas plaudern. Da war etwas an ihr, das ihn faszinierte. Er war ganz zufrieden mit dem Leben, trotz allem.

42. Kapitel
    Siglufjörður,
    Freitag, 23 . Januar 2009
    Es lag noch immer dicker Schnee auf Straßen und Dächern, als Ari frühmorgens zum Kleinboothafen hinunterging; er hatte nicht richtig schlafen können. Auf weiter Flur waren die Zäune im Schnee versunken, und an einigen Stellen reichte der Schnee sogar bis an die Fenster. In einem Garten saß eine Drossel auf dem Pfosten einer Wäscheleine. Bei näherem Hinsehen hatte sich eine Schar Drosseln versammelt, um sich das Futter zu schnappen, das ein guter Hausbesitzer im Garten verteilt hatte.
    Ari ging auf die Landebrücke hinaus und schaute über das aufgewühlte Meer, die majestätischen Berge. Der Sommer schien so weit weg zu sein. Würde er immer noch in Siglufjörður sein, wenn er endlich käme? Oder würde Tómas ihn mit Schimpf und Schande wieder in den Süden schicken? Selbst wenn alles gutginge, er den Posten behalten und die Klage von Kalli zu nichts führte, würde er dann trotzdem hierbleiben wollen?
    Er war ziemlich stolz über den Erfolg, den er doch zu verbuchen hatte, obwohl es ihm nicht gelungen war, das Rätsel um Hrólfurs Tod zu lösen – falls es denn mit seinem Tod tatsächlich etwas Geheimnisvolles auf sich hatte.
    Er war wahrscheinlich trotz allem auf dem richtigen Weg, der Beruf des Polizisten passte zu ihm. Er musste dem Dorf eigentlich eine Chance einräumen, wenn er seinen Job hier behalten würde.
    Dann war da Ugla. Er wusste nicht, ob er in sie verliebt war, wollte es aber genauer wissen.
    Sie hatte ihr Bestes getan, um ihn davon zu überzeugen, dass er das Dorf nicht gleich verurteilen dürfe.
    »Warte nur bis zum Frühling«, hatte sie gesagt. »Manchmal erwacht man dann damit, dass der Nebel über dem Fjord liegt, man sieht nicht einmal das Meer – sieht vielleicht nur knapp die Silhouetten von einer oder zwei Bergspitzen, als ob sie über dem Dorf in der Luft schwebten. Dann wird es auf einmal hell, und die Sonne blinzelt hervor. Wenn du einen solchen Tag erlebt hast, dann willst du nie wieder umziehen.« Sie konnte sehr überzeugend sein.
    Die steife Beziehung mit Kristín in den vergangenen Wochen war für Ari ziemlich schwierig gewesen. Er war sich so gut wie sicher, dass sie diese Beziehung schon lange aufgegeben hatte.
    Er hatte zumindest mit Ugla die Grenze überschritten – zuerst die Küsse, und dann hatte er ihre Einladung, mit ihr ins Schlafzimmer zu gehen, angenommen, hatte sich bei vollem Bewusstsein dafür entschieden, mit ihr zu schlafen, aber sofort danach ein schlechtes Gewissen bekommen. Konnte es Kristín nicht antun – wollte sich zuerst orientieren, wollte sich zuerst vergewissern, wo sie standen, falls es irgendwelche Zweifel gäbe, wollte er die Beziehung dann formell beenden.
    Verdammt, es war schwierig gewesen, Ugla allein im Bett zurückzulassen, beinahe ganz nackt. Sie war sehr schön. Aufregend in Jeans und einem engen, weißen T-Shirt, aber unwiderstehlich, wenn die Kleider auf einem Haufen auf dem Boden lagen.
    Er fühlte sich wie ein vollständiger Idiot, als er vorgab, damit noch etwas warten zu wollen. Nannte den Grund aber nicht. Ugla wusste noch immer nichts von Kristín. Das würde ein schwieriges Gespräch werden.
    Ari schaute zu den Bergen hoch. Er hatte immer gedacht, dass er in Reykjavík im Schutz der Esja wohnte, und bemerkte erst jetzt, was es tatsächlich hieß, im Schatten der Berge zu leben. Die Esja war so weit von seinem Haus in der Innenstadt entfernt, doch hier

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