Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
der Halterung zu lösen. Als ich damit zu den beiden hinüberlaufe, bin ich so achtsam wie nur möglich.
»Und jetzt hol die Trage.« Frank hat mir das Gerät aus den Händen genommen. Ich verspüre trotz des ganzen Stresses Erleichterung, dass ich nicht am Patienten helfen muss. Und die Trage, das hatte ich schon geübt. Am Wagen zurück, ziehe ich sie mit einem Mal heraus.
Ein Passant und ein Polizist, inzwischen ist ein weiterer Streifenwagen am Unfallort angekommen, helfen mir, das Ding zu dem Verletzten hinzubugsieren.
»Mist!«, entfährt es Frank, der mit dem Beatmungsbeutel in der Hand am Kopfende des Patienten kniet.
Der alte Mann wird so um die sechzig sein. Sein Gesicht hat eine graublaue Farbe.
»Ich bring nichts rein.« Frank flucht noch einmal.
»Lass mich mal.« Christian schiebt ihn beiseite, schüttelt kurz darauf aber den Kopf.
Frank tastet seitlich vom deutlich sichtbaren Kehlkopf des Patienten. »Nichts!«, ruft er. Kein Puls! Er drückt mir eine Infusion in die Hand. »Hochhalten!«
Ich habe keine Ahnung, was die beiden jetzt vorhaben.
»Los.« Christian dreht die Infusion zu und legt sie auf den Körper des Mannes. »Du nimmst die Beine. Vorsichtig …«
Ich will sie ergreifen, aber ich traue mich nicht zuzupacken. Frank hat den Patienten schon am Kopf und den Schultern genommen, Christian hält die Körpermitte. Ich kann das schreckliche Gefühl, allein bei dem Gedanken, diesen leblosen Körper anzufassen, nicht abschütteln.
»Greif die Hose«, kommt mir Frank zu Hilfe, dann dreht er sich zu einem der Polizisten um, die in der Nähe stehen.
»Los, komm näher, nimm du die Füße.«
»Auf drei …« Frank gibt das Kommando. Zu viert heben wir den alten Mann auf die Trage.
Während ich noch dastehe, haben Christian und Frank die Trage schon geschnappt und laufen damit zum Auto.
»Bring uns den Koffer!«, ruft mir Frank beim Einladen des Patienten zu. »Steck den Beatmungsbeutel rein, klapp das Ding zu und mach schnell – lass den Rest erst mal liegen.«
Ich tue, was er sagt, aber dann bekomme ich den Koffer nicht zu, irgendetwas klemmt, ich versuche es wieder und wieder, endlich schaffe ich es, ihn wenigstens auf einer Seite zu schließen und laufe damit zum KTW . In dem engen Patientenraum ist jedoch kein Platz für mich, und dann schließt Christian auch schon die Tür.
Was haben die beiden vor?
Ich stelle den Notfallkoffer auf den Beifahrersitz, von wo aus ich durch die offene Trennscheibe einen guten Blick auf das Geschehen im Wageninneren habe. Frank hält das silberne Intubationsbesteck in der Hand.
Wollen die selbst intubieren? Warum ist denn kein Notarzt da? Das ist doch verboten … Die Gedanken wirbeln nur so durch meinen Kopf. Kurz darauf greift Frank nach dem Beatmungsbeutel, Christian, der Wachleiter, reicht ihm das Stethoskop.
Hastig ruft er mir zu: »Nimm einen Zettel und versuche, den Namen des Patienten und sein Geburtsdatum herauszubekommen. Und dann sammle unseren Müll ein. Aber pass auf, da ist eine Nadel dabei.«
Ich höre ein Martinshorn, das Heulen kommt näher. Ich meine sogar, dass ich irgendwo in der Ferne ein Blaulicht gesehen habe. Eine Frau steht blass neben ihrem Pkw am Straßenrand. Ich frage sie, ob sie den Verletzten kennt, aber sie verneint. »Geht es Ihnen nicht gut?«, frage ich sie noch, sie tritt einen Schritt zurück und schüttelt den Kopf, dann steigt sie in ihren Wagen und fährt davon. Ein älteres Paar, das ebenfalls in der Nähe der Unfallstelle steht, hat den Unfall mitbekommen, aber auch sie kennen den Mann nicht mit Namen, der an diesem Wintertag wohl sein Moped an der Straße entlang geschoben hatte. Die Frau meint, er sei vielleicht aus der Ortschaft am Ende der Landstraße.
Ich bekomme nicht viel heraus, was den Patienten angeht.
Um wenigstens irgendetwas zu notieren, schreibe ich das Versicherungskennzeichen des Mopeds auf, das noch unverändert am Straßenrand liegt. Besser als nichts , denke ich.
Hinter dem Hügel tauchen endlich weitere Blaulichter auf. Mir kommt es vor, als wäre eine Ewigkeit vergangen. Ein großes Rettungsfahrzeug mit der Aufschrift NOTARZT rollt heran. Das Martinshorn ertönt plötzlich noch einmal, ein fast schmerzhaft lautes Scheppern dröhnt mir ins Ohr, ein Gefühl wie eine Ohrfeige.
Ein Mann springt aus dem Rettungswagen. Offenbar der Notarzt: Er trägt einen langen weißen Kittel, aus dem ein Stethoskop und ein Reflexhammer schauen. Er zieht die Tür unseres Wagens auf. Christian steigt
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