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Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Titel: Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kahneman
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Studien identifizierte dieselbe Gruppe spezifische Gene, die an der Aufmerksamkeitssteuerung beteiligt sind. Sie zeigte, dass elterliches Erziehungsverhalten sich ebenfalls auf diese Fähigkeit auswirkte, und wies nach, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Fähigkeit der Kinder, ihre Aufmerksamkeit zu steuern, und ihrer Fähigkeit, ihre Emotionen zu kontrollieren, besteht.
    Shane Frederick entwickelte den sogenannten Cognitive Reflection Test (CRT), der aus dem Schläger-und-Ball-Problem und zwei weiteren Fragen besteht, die er deshalb ausgewählt hat, weil sie ebenfalls eine intuitive Antwort herausfordern, die sowohl bestechend als auch falsch ist (die Fragen werden in Kapitel 5 vorgestellt). Anschließend untersuchte er die Merkmale der Studenten, die bei diesem Test sehr schlecht abschnitten – bei ihnen ist die Überwachungsfunktion von System 2 sehr schwach –, und er stellte fest, dass sie dazu neigen, Fragen mit der ersten Idee zu beantworten, die ihnen einfällt, und dass sie nicht gewillt sind, die Anstrengung aufzubringen, die notwendig wäre, um ihre Intuitionen zu überprüfen. Personen, die bei Denkaufgaben unkritisch ihren Intuitionen folgen, neigen auch dazu, andere Vorschläge von System 1 unhinterfragt anzunehmen. So sind sie insbesondere impulsiv, ungeduldig und erpicht auf sofortige Belohnung. So sagen zum Beispiel 63 Prozent derjenigen, die intuitiv antworten, dass ihnen 3400 Dollar in diesem Monat lieber wären als 3800 Dollar im nächsten. Nur 37 Prozent derjenigen, die alle drei Denkaufgaben richtig beantworten, haben die gleiche kurzsichtige Präferenz dafür, sofort einen kleineren Betrag zu erhalten. Danach gefragt, wie viel mehr sie für eine Expresszustellung des von ihnen bestellten Buches zu zahlen bereit sind, sind diejenigen, die beim Cognitive Reflection Test niedrige Punktwerte erzielen, gewillt, doppelt so viel zu bezahlen wie diejenigen, die dabei gut abschneiden. Fredericks Befunde deuten darauf hin, dass die Figuren unseres Psychodramas
verschiedene »Persönlichkeiten« haben. System 1 ist impulsiv und intuitiv; System 2 kann logisch denken, und es ist bedächtig, aber zumindest bei einigen Menschen ist es auch faul. Wir erkennen ähnliche Unterschiede zwischen Menschen: Einige Personen gleichen mehr ihrem System 2; andere stehen ihrem System 1 näher. Es hat sich gezeigt, dass dieser einfache Test Denkfaulheit relativ zuverlässig vorhersagen kann.
    Keith Stanovich und sein langjähriger Mitarbeiter Richard West führten ursprünglich die Begriffe System 1 und System 2 ein (heute ziehen sie es vor, von Typ-1- und Typ-2-Prozessen zu sprechen). Stanovich und seine Mitarbeiter haben jahrzehntelang die Unterschiede zwischen Individuen bei der Lösung jener Art von Problemen erforscht, mit denen sich dieses Buch befasst. Sie haben eine grundlegende Frage in vielfältiger Variation gestellt: Wieso sind einige Menschen anfälliger für Urteilsfehler als andere? Stanovich veröffentlichte seine Schlussfolgerungen in einem Buch mit dem Titel Rationality and the Reflective Mind , in dem er auf eine kühne und unverwechselbare Weise an das Thema dieses Kapitels herangeht. Er unterscheidet klar und deutlich zwischen zwei Teilen von System 2 – seine Unterscheidung geht so weit, dass er von zwei verschiedenen »Denkvermögen« (minds) spricht. Eines dieser kognitiven Module (er nennt es »algorithmisch«) befasst sich mit langsamem Denken und anspruchsvoller Berechnung. Einige Menschen kommen mit diesen Intelligenzaufgaben besser zurecht als andere – sie erzielen bei Intelligenztests sehr hohe Punktwerte, und sie können rasch und effizient von einer Aufgabe zu einer anderen wechseln. Stanovich behauptet nun jedoch, dass hohe Intelligenz Menschen nicht immun gegen kognitive Verzerrungen macht. Hier kommt eine weitere Fähigkeit ins Spiel, die er »Rationalität« nennt. Stanovichs Konzept einer rationalen Person deckt sich weitgehend mit dem, was ich weiter vorn »[mental] engagiert« genannt habe. Der Kern seines Arguments lautet, dass Rationalität von Intelligenz unterschieden werden sollte. Seiner Auffassung nach ist oberflächliches oder »faules« Denken eine Unzulänglichkeit des reflexiven Intellekts, ein Versagen der Rationalität. Dies ist eine verlockende Idee, die zum Nachdenken anregt. Stanovich und seine Mitarbeiter haben etwas herausgefunden, was ihre Annahme untermauert: Die Schläger-und-Ball-Frage und andere, ähnliche Fragen sind etwas bessere Indikatoren

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