Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
beschrieb drei Heuristiken, die bei der Urteilsbildung unter Unsicherheit benutzt werden: (i) Repräsentativität, die für gewöhnlich angewendet wird, wenn Menschen die Wahrscheinlichkeit schätzen sollen, mit der ein Objekt oder Ereignis A zur Klasse oder zum Prozess B gehört; (ii) Verfügbarkeit
von Beispielen oder Szenarien, die oftmals benutzt wird, wenn Menschen die Häufigkeit einer Klasse oder die Plausibilität einer bestimmten Entwicklung beurteilen sollen; und (iii) Anpassung an einen Anker, die für gewöhnlich bei numerischen Vorhersagen angewandt wird, wenn ein relevanter Wert verfügbar ist. Diese Heuristiken sind höchst ökonomisch und für gewöhnlich effektiv, aber sie führen zu systematischen und vorhersagbaren Irrtümern. Ein besseres Verständnis dieser Heuristiken und der Verzerrungen, zu denen sie führen, könnte Urteile und Entscheidungen in Situationen der Unsicherheit verbessern.
Entscheidungen, Werte und Frames 1
Daniel Kahneman und Amos Tversky
Abriss: Wir diskutieren die kognitiven und psychophysischen Determinanten von Wahlen in riskanten und risikolosen Kontexten. Die Psychophysik des Wertes erzeugt Risikoscheu im Bereich von Gewinnen und Risikofreude im Bereich von Verlusten. Die Psychophysik der Wahrscheinlichkeit erzeugt eine Übergewichtung sicherer Optionen und unwahrscheinlicher Ereignisse im Vergleich zu Ereignissen mittlerer Wahrscheinlichkeit. Entscheidungsprobleme können auf vielfältige Weise beschrieben beziehungsweise »gerahmt« (framed) werden und so verschiedene Präferenzen erzeugen, was dem Invarianzkriterium der rationalen Entscheidungsfindung widerspricht. Der Prozess der mentalen Buchführung, in dem Menschen die Ergebnisse von Transaktionen organisieren, erklärt einige Anomalien des Verbraucherverhaltens. Insbesondere kann die Annehmbarkeit einer Option davon abhängen, ob ein negatives Ergebnis als ein Kostenfaktor oder ein nicht ersetzter Verlust bewertet wird. Die Beziehung zwischen Entscheidungswerten und Erfahrungswerten wird diskutiert.
Menschen treffen Entscheidungen mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie reden – sie tun es wissentlich oder unwissentlich in einem fort. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich viele Disziplinen, von der Mathematik und Statistik über die Wirtschafts- und Politikwissenschaften bis zur Soziologie und Psychologie, mit dem Thema »Entscheidungsfindung« befassen. Die Entscheidungsforschung behandelt sowohl normative als auch deskriptive Fragestellungen. Die normative Analyse befasst sich mit der Rationalität und Logik der Entscheidungsfindung, die deskriptive Analyse dagegen mit den Überzeugungen und Präferenzen von Menschen, so wie sie sind, nicht so, wie sie sein sollten. Das Spannungsverhältnis zwischen normativen und deskriptiven Betrachtungen kennzeichnet einen Großteil der Studien über Urteils- und Entscheidungsfindung.
Analysen der Entscheidungsfindung unterscheiden für gewöhnlich zwischen riskanten und risikolosen Entscheidungen. Das paradigmatische Beispiel für eine Entscheidung unter Risiko ist das Akzeptieren einer Lotterie, die
monetäre Ergebnisse mit eindeutigen Wahrscheinlichkeiten zeitigt. Eine typische risikolose Entscheidung betrifft die Annehmbarkeit einer Transaktion, bei der ein Gut oder eine Dienstleistung gegen Geld oder Arbeit getauscht wird. Im ersten Teil dieses Beitrags präsentieren wir eine Analyse der kognitiven und psychophysischen Faktoren, die den Wert riskanter Gewinnaussichten (prospects) bestimmen. Im zweiten Teil erweitern wir diese Analyse auf Transaktionen und Tauschprozesse (trades) .
Framing der Ergebnisse
Riskante Aussichten sind durch ihre möglichen Ergebnisse und die Eintrittswahrscheinlichkeiten dieser Ergebnisse charakterisiert. Dieselbe Option lässt sich allerdings in unterschiedlicher Weise darstellen (framen, auch: »einrahmen«) oder beschreiben. 9 So lassen sich beispielsweise die möglichen Resultate einer Lotterie entweder als Gewinne und Verluste in Bezug auf den Status quo darstellen oder als Vermögenspositionen, die den anfänglichen Vermögenszustand einbeziehen. Die Invarianz verlangt, dass solche Veränderungen in der Beschreibung von Ergebnissen die Präferenzordnung nicht beeinflussen sollten. Das folgende Paar von Problemen veranschaulicht einen Verstoß gegen dieses Erfordernis. Die Gesamtzahl der Befragten bei jedem Problem wird mit N bezeichnet, und der Prozentsatz derjenigen, die sich für die jeweilige
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