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Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Titel: Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kahneman
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Auftretens abschätzen kann. Doch wie die vorhergehenden Beispiele gezeigt haben, führt dieses nützliche Schätzverfahren zu systematischen Fehlern.

Anpassung und Verankerung
    In vielen Situationen nehmen wir Schätzungen vor, indem wir bei einem Anfangswert beginnen, der so lange korrigiert wird, bis man die endgültige Lösung erhält. Der Anfangswert oder Ausgangspunkt mag durch die Formulierung des Problems nahegelegt werden oder das Ergebnis einer teilweisen Berechnung sein. In beiden Fällen sind die Korrekturen in der Regel unzureichend. 19 Das heißt, verschiedene Ausgangspunkte ergeben unterschiedliche Schätzungen, die in Richtung der Anfangswerte verzerrt sind. Wir nennen dieses Phänomen »Ankereffekt«.
     
    Unzureichende Anpassung. In einer Demonstration des Ankereffekts sollten die Probanden verschiedene Größen (in Prozentsätzen) schätzen (zum Beispiel den Prozentsatz afrikanischer Länder in den Vereinten Nationen). Für jede Größe wurde durch Drehen eines Glücksrads in Anwesenheit der Versuchspersonen eine Zahl zwischen null und hundert festgelegt. Die Probanden sollten als Erstes angeben, ob diese Zahl höher oder niedriger war als der Wert der Größe, und anschließend den Wert der Größe abschätzen, indem sie sich von der gegebenen Zahl nach oben oder unten bewegten. Verschiedene Gruppen erhielten für jede Größe verschiedene Zahlen, und diese willkürlich ausgewählten Zahlen wirkten sich deutlich auf die Schätzungen aus. So betrugen beispielsweise die mittleren Schätzungen für den Prozentsatz afrikanischer Staaten in den Vereinten Nationen für Gruppen, die 10 beziehungsweise 65 als Ausgangspunkte erhalten hatten, 25 beziehungsweise 45. Belohnungen für Genauigkeit haben den Ankereffekt nicht vermindert.
    Der Ankereffekt tritt nicht nur auf, wenn die Versuchsperson einen Ausgangswert erhält, sondern auch dann, wenn der Proband seine Schätzung auf das Ergebnis einer unvollständigen Berechnung stützt. Eine Studie über intuitive numerische Schätzungen verdeutlicht diesen Effekt. Zwei Gruppen von Highschool-Schülern sollten innerhalb von fünf Sekunden das Ergebnis eines numerischen Ausdrucks schätzen, der auf eine Tafel geschrieben wurde. Eine Gruppe schätzte das Produkt von
    8 × 7 × 6 × 5 × 4 × 3 × 2 × 1
    während eine andere Gruppe folgendes Produkt schätzte:
    1 × 2 × 3 × 4 × 5 × 6 × 7 × 8
    Um solche Fragen schnell zu beantworten, mögen Menschen einige Berechnungsschritte durchführen und das Produkt durch Extrapolation oder Anpassung abschätzen. Weil Anpassungen in der Regel unzureichend sind, sollte dieses Verfahren zu einer zu niedrigen Schätzung führen. Da das Ergebnis der ersten Multiplikationsschritte (von links nach rechts) in der fallenden Folge höher ist als in der steigenden Folge, sollte der erste Ausdruck als größer eingeschätzt werden als der zweite. Beide Vorhersagen wurden bestätigt. Die mittlere Schätzung für die steigende Folge war 512, während die mittlere Schätzung für die fallende Folge 2250 war. Die richtige Antwort lautet 40 320.
     
    Verzerrungen bei der Beurteilung konjunkter und disjunkter Ereignisse. In einer neueren Studie von Bar- Hillel 20 hatten die Probanden die Gelegenheit, auf eines von zwei Ereignissen zu wetten. Drei Typen von Ereignissen wurden verwendet: (i) einfache Ereignisse wie etwa das Ziehen einer roten Murmel aus einem Beutel, der 50 Prozent rote und 50 Prozent weiße Murmeln enthält; (ii) konjunkte Ereignisse, etwa das Ziehen einer roten Murmel siebenmal hintereinander, mit Ersetzung, aus einem Beutel, der 90 Prozent rote Murmeln und 10 Prozent weiße Murmeln enthält; und (iii) disjunkte Ereignisse, wie etwa das Ziehen einer roten Murmel zumindest einmal in sieben aufeinanderfolgenden Versuchen, mit Ersetzung, aus einem Beutel, der 10 Prozent rote Murmeln und 90 Prozent weiße Murmeln enthält. Bei diesem Problem zog es eine deutliche Mehrheit der Probanden vor, auf das konjunkte Ereignis zu wetten (dessen Wahrscheinlichkeit 0,48 ist), statt das einfache Ereignis (dessen Wahrscheinlichkeit 0,50 beträgt) vorzuziehen. Die Versuchspersonen wetteten außerdem eher auf das einfache als auf das disjunkte Ereignis, das eine Wahrscheinlichkeit von 0,52 hat. Folglich wetten die meisten Probanden in beiden Vergleichen auf das weniger wahrscheinliche Ereignis. Dieses Wahlmuster veranschaulicht einen allgemeinen Befund. Studien über Wahlen zwischen Lotterien und über Wahrscheinlichkeitsurteile deuten

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