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Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Titel: Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kahneman
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darauf hin, dass Menschen tendenziell die Wahrscheinlichkeit konjunkter Ereignisse zu hoch schätzen, 21 während sie die Wahrscheinlichkeit disjunkter Ereignisse zu niedrig ansetzen. Diese Verzerrungen lassen sich ohne Weiteres als Ankereffekte erklären. Die angegebene Wahrscheinlichkeit des Elementarereignisses (Erfolg in einem beliebigen Durchgang) stellt einen natürlichen Ausgangspunkt für die Schätzung der Wahrscheinlichkeiten sowohl konjunkter als auch disjunkter Ereignisse dar. Da die Anpassung
ausgehend vom Ausgangspunkt typischerweise unzureichend ist, bleiben die endgültigen Schätzungen in beiden Fällen allzu nahe bei den Wahrscheinlichkeiten der Elementarereignisse. Man beachte, dass die Gesamtwahrscheinlichkeit eines konjunkten Ereignisses niedriger ist als die Wahrscheinlichkeit jedes Elementarereignisses, während die Gesamtwahrscheinlichkeit eines disjunkten Ereignisses höher ist als die Wahrscheinlichkeit jedes Elementarereignisses. Infolge der Ankerung wird die Gesamtwahrscheinlichkeit bei konjunkten Problemen zu hoch und bei disjunkten Problemen zu niedrig geschätzt.
    Verzerrungen bei der Beurteilung verbundener Ereignisse sind im Rahmen von Planungsprozessen besonders bedeutsam. Der erfolgreiche Abschluss eines Projekts, wie etwa der Entwicklung eines neuen Produktes, hat üblicherweise einen konjunkten Charakter: Damit das Projekt zu einem Erfolg wird, muss jedes Ereignis aus einer Reihe von Ereignissen eintreten. Selbst wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit jedes dieser Ereignisse sehr hoch ist, kann die Gesamtwahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Abschlusses recht niedrig sein, wenn die Anzahl der Ereignisse groß ist. Die allgemeine Tendenz zur Überschätzung der Wahrscheinlichkeit konjunkter Ereignisse führt zu einem ungerechtfertigten Optimismus bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, dass ein Plan erfolgreich umgesetzt oder ein Projekt termingerecht zum Abschluss gebracht wird. Umgekehrt begegnet man disjunkten Strukturen typischerweise bei der Beurteilung von Risiken. In einem komplexen System wie etwa einem Kernreaktor oder einem menschlichen Körper kommt es zu einer Fehlfunktion, wenn eine seiner wesentlichen Komponenten versagt. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit des Versagens der einzelnen Komponenten niedrig ist, kann die Wahrscheinlichkeit eines Gesamtausfalls hoch sein, wenn viele Komponenten betroffen sind. Wegen der Ankerung unterschätzen Menschen tendenziell die Wahrscheinlichkeiten des Versagens von komplexen Systemen. Daher lässt sich die Richtung der Ankerverzerrung manchmal aus der Struktur des Ereignisses ableiten. Die kettenartige Struktur von Konjunktionen führt zu Überschätzung, die trichterförmige Struktur von Disjunktionen führt zu Unterschätzung.
     
    Ankereffekte bei der Beurteilung subjektiver Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Bei der Entscheidungsanalyse sollen Experten oftmals ihre Einschätzung einer Größe, etwa des Wertes des Dow-Jones-Index an einem bestimmten Tag, in Form einer Wahrscheinlichkeitsverteilung ausdrücken. Um eine solche Verteilung zu konstruieren, wird die Person im Allgemeinen gebeten, Werte der Größe auszuwählen, die spezifischen Perzentilen ihrer subjektiven Wahrscheinlichkeitsverteilung
entsprechen. So mag der Urteilende aufgefordert werden, eine Zahl, X 90 , auszuwählen, und zwar so, dass seine subjektive Wahrscheinlichkeit, dass diese Zahl höher ist als der Wert des Dow-Jones-Index, 0,90 beträgt. Das heißt, er sollte den Wert X 90 so auswählen, dass er mit einer Wahrscheinlichkeit von neun zu eins davon ausgeht, dass der Dow-Jones-Index diesen nicht übertreffen wird. Eine subjektive Wahrscheinlichkeitsverteilung für den Wert des Dow-Jones-Index lässt sich aus mehreren solchen Urteilen konstruieren, die verschiedenen Perzentilen entsprechen.
    Durch Sammlung subjektiver Wahrscheinlichkeitsverteilungen für viele verschiedene Größen kann man den Urteilenden auf seine ordnungsgemäße Kalibrierung testen. Ein Urteilender ist bei einer Reihe von Problemen ordnungsgemäß (oder extern) kalibriert, wenn genau Π Prozent der wahren Werte der beurteilten Größen unter die von ihm angegebenen Werte von X Π fallen. So sollten zum Beispiel die wahren Werte für 1 Prozent der Größen unter X 01 und für 1 Prozent der Größen über X 99 fallen. Folglich sollten die wahren Werte bei 98 Prozent der Probleme in das Konfidenzintervall zwischen X 01 und X 99 fallen.
    Mehrere Forscher 22 haben von einer Vielzahl von

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