Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
verändert zu haben.
Die Aufgabe, eine Rangordnung der neun Studiengänge zu erstellen, ist komplex und erfordert zweifellos jene Disziplin und sequenzielle Organisation, zu der nur System 2 in der Lage ist. Doch die in die Beschreibung eingestreuten Hinweise (»abgedroschene Wortspiele« und andere) sollten eine Assoziation mit einem Stereotyp aktivieren, was eine automatische Operation von System 1 ist.
Die Anweisungen für diese Ähnlichkeitsaufgabe verlangten einen Vergleich der Beschreibung von Tom W. mit den Stereotypen verschiedener Fachrichtungen. Für die Lösung dieser Aufgabe spielt es keine Rolle, ob die Beschreibung zutreffend ist – ob es sich um ein wahres Porträt von Tom W. handelt oder nicht. Und das Gleiche gilt auch für unser Wissen über die Basisraten der verschiedenen Studiengänge. Die Ähnlichkeit einer Person mit dem Stereotyp einer Gruppe wird nicht von der Größe dieser Gruppe beeinflusst. Tatsächlich könnten Sie die Beschreibung von Tom auch dann mit dem Stereotyp von Studenten der Bibliothekswissenschaft vergleichen, wenn es an der Universität gar keinen solchen Studiengang gibt.
Wenn Sie die Beschreibung von Tom W. noch einmal durchlesen, werden Sie feststellen, dass sie gut zu Stereotypen von kleinen Gruppen von Studenten (Informatikern, Bibliothekswissenschaftlern, Ingenieuren) passt, während sie mit denen der größten Gruppen (Geisteswissenschaften und Pädagogik, Sozialwissenschaften und Sozialarbeit) viel schlechter zusammenpasst. Tatsächlich haben die Probanden die beiden größten Studiengänge fast immer sehr niedrig eingestuft. Tom W. wurde gezielt als eine »Anti-Basisraten«-Figur konzipiert, die gut mit den Stereotypen kleiner Studiengänge, aber schlecht mit denen der größten Studiengänge zusammenpasst.
Vorhersage durch Repräsentativität
Die dritte Aufgabe in der Reihe wurde Psychologie-Studenten gestellt, und sie ist die entscheidende: Ordnen Sie die Studiengänge nach der Wahrscheinlichkeit, mit der Tom W. heute das jeweilige Fach studiert. Die Mitglieder dieser Vorhersagegruppe kannten die relevanten statistischen Daten: Sie wussten die Basisraten der verschiedenen Studiengänge, und sie wussten, dass die Quelle von Tom W.s Beschreibung nicht in hohem Maße vertrauenswürdig ist. Allerdings erwarteten wir, dass sie sich ausschließlich auf die Ähnlichkeit der Beschreibung mit den Stereotypen konzentrieren – auf die »Repräsentativität«, wie wir dies nannten – und sowohl die Basisraten als auch die Zweifel an der Richtigkeit der Beschreibung ausblenden würden. Anschließend würden sie den Studiengang mit wenigen Studierenden – Informatik – als am wahrscheinlichsten beurteilen, weil dieses Ergebnis den höchsten Repräsentativitätswert erhält.
Amos und ich arbeiteten hart während des Jahres, das wir in Eugene verbrachten, und ich blieb manchmal die ganze Nacht in meinem Büro. Eine meiner Aufgaben in diesen Nächten bestand darin, mir eine Beschreibung auszudenken, die die Repräsentativität und die Basisraten gegeneinander ausspielen sollte. Tom W. war das Produkt meiner Anstrengungen, und ich stellte die Beschreibung in den frühen Morgenstunden fertig. Die erste Person, die an jenem Morgen zur Arbeit erschien, war unser Kollege und Freund Robyn Dawes, der nicht nur ein scharfsinniger Statistiker war, sondern auch große Zweifel an der Aussagekraft intuitiver Urteile hatte. Wenn jemand die Bedeutung der Basisrate kennen musste, dann war es Robyn. Ich rief ihn her, zeigte ihm die Frage, die ich gerade getippt hatte, und bat ihn, Tom W.s Beruf zu erraten. Ich erinnere
mich noch immer an sein listiges Lächeln, als er zaghaft antwortete: »Informatiker ?« Dies war ein glücklicher Augenblick – selbst der Experte war darauf hereingefallen. Natürlich erkannte Robyn sofort seinen Fehler, als ich »Basisrate« erwähnte, aber er hatte nicht von sich aus daran gedacht. Obwohl er bestens über die Rolle von Basisraten bei Vorhersagen Bescheid wusste, vernachlässigte er sie, als ihm die Beschreibung der Persönlichkeit eines Individuums vorgelegt wurde. Wie erwartet, ersetzte er die Wahrscheinlichkeit, nach der er gefragt worden war, durch ein Repräsentativitätsurteil.
Anschließend sammelten Amos und ich die Antworten auf dieselbe Frage von 114 Psychologie-Studenten an drei großen Universitäten, die alle mehrere Statistikkurse besucht hatten. Sie enttäuschten uns nicht. Ihre Einstufung der neun Studiengänge nach der
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