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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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Bug steckte. Normalerweise ist ihr Kopf ein wandelndes Adressbuch, aber im Moment ist er seltsam leer.
    Schwangerschafts-Alzheimer? Jetzt schon?
    Â»Ach, was soll’s«, murmelt sie. »Ab nach Hause.« Ihre Armbanduhr zeigt fünf vor halb zwölf. Diese Nacht hat sie sich anders vorgestellt. Und, verdammt noch mal, Gabriel hatte es ihr auch anders versprochen.
    Sie spürt, wie sehr sie sich ärgert, dass Gabriel nicht da ist – und genau das ärgert sie am meisten. Es ist noch nicht lange her, dass sie einfach nur mit den Schultern gezuckt und sich in ihrer Arbeit vergraben hätte.
    Sie geht an den Taxis vorbei und steigt in die Bahn. Sie hasst es, von Taxifahrern in Gespräche verwickelt zu werden. Dann doch lieber die Anonymität der Bahn, wo sie schweigend in die Nacht hinaussehen oder die Menschen um sich herum beobachten kann, als wäre sie auf einer weit entfernten Insel. Nachts Bahn fahren, das ist einer der wenigen stillen Momente, die sie hat.
    Erst eine Station bis Alexanderplatz, dann die U8 Richtung Wittenau. Als sie am Bahnhof Gesundbrunnen in die Ringbahn S41 umsteigt, überfällt sie Müdigkeit, und sie sinkt auf den Plastiksitz. »Zurückbleiben bitte«, scheppert es aus den Lautsprechern. Die viereckigen Warnlampen über den Türen glühen rot auf, dann rumpelt es, und die Bahn fährt mit einem Ruck an.
    Liz’ Blick gleitet abwesend durch den fast leeren Waggon. Eine Sitzreihe weiter, auf der gegenüberliegenden Seite, sehen sich zwei junge Typen in schmutzigen Jeansklamotten nach ihr um und stecken die Köpfe zusammen. Sie sind mit ihr eingestiegen. Der eine sieht aus wie ein Streuselkuchen.
    An der Schönhauser Allee steigt eine blutjunge Mutter mit einem schreienden Baby auf dem Arm in die Bahn. Der Streuselkuchen verdreht die Augen. Als der Zug mit einem Ruck anfährt, stolpert das Mädchen auf die Sitzbank, direkt neben Liz. Der Winzling schreit noch lauter, und das Mädchen beginnt, fahrig in ihrer Umhängetasche zu kramen.
    Â»Mach, dass die Missgeburt die Schnauze hält, das nervt«, sagt der Streuselkuchen.
    Das Mädchen duckt sich. Dann zieht sie mit einer Hand verstohlen ihr T-Shirt hoch und drückt das kleine Bündel an ihre Brust. Das Geschrei wird zu einem dumpfen Brüllen, als der kleine Mund gegen die Brust gepresst wird.
    Mitleid regt sich bei Liz, gleichzeitig rumort ihr Magen, als hätte sie zu scharf gebrannten Kaffee getrunken. Die Typen sind widerwärtig.
    Das Gesicht des Mädchens verzieht sich vor Schmerzen, während das Baby ungestüm auf ihre Brustwarze beißt. Angeekelt sehen die beiden Typen zu. »Mann, bei den vertrockneten Titten würde ich auch brüllen«, stellt der zweite Typ fest und wischt sich mit dem Ärmel einen Schleimfaden unter der Nase weg. Der Pickelige grinst.
    Liz starrt das Mädchen an, dann wieder die beiden Typen. Am liebsten würde sie aufspringen und den beiden die Meinung sagen. Ihr Herz beginnt, heftig zu schlagen. Alles in ihr schreit, tu es nicht!
    Mit kreischenden Bremsen hält die Bahn an der Prenzlauer Allee. Der Pickelige lehnt sich vor und zischt das Mädchen an: »Na los, verschwinde! Schwing deinen Arsch zur Tür raus.«
    Liz steht auf. Ihre grünen Augen funkeln. »Wie wär’s, wenn du verschwindest.« Ihre Stimme könnte fester sein, und sie versucht, ihren rebellierenden Magen zu ignorieren. »Oder aber du hältst die Klappe und lässt sie in Ruhe.«
    Verblüfft starrt der Pickelige sie an. Er ist höchstens zwanzig. Alkoholgeruch weht aus seinem Mund. Der andere Typ sieht weg, aus dem Fenster, durch sein Spiegelbild in die Nacht dahinter. »Na ja …«, sagt der Pickelige gedehnt, »schätze, das hast du nicht zu bestimmen, Pussy. Aber wenn du ’n bisschen nett zu mir bist, vielleicht lass ich die Schnepfe dann weiterfahren.« Sein Blick hängt an Liz’ Brüsten. Ein Stück des Totenkopf-Tattoos lugt aus ihrem Ausschnitt hervor. Der Typ mit der triefenden Nase grinst dümmlich. In der linken Hand hält er eine offene Schnapsflasche, eingewickelt in eine braune Papiertüte.
    Â»Wenn ihr Scheißkerle hier irgendjemanden anrührt, dann mache ich ein Heidenspektakel.« Sie zeigt nach oben, auf eine kleine bauchige Überwachungskamera, die unter der beige lackierten Decke hängt. »Und ich bin gespannt, wie es dann weitergeht. Ich wette, ihr hattet

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