Schnitt: Psychothriller
schon jede Menge Ãrger mit der Polizei. Schon âne Jugendstrafe kassiert? Oder Sozialstunden?«
Das Grinsen des Pickeligen verpufft. Er öffnet den Mund, will etwas entgegnen, aber der andere Typ stöÃt ihm den Ellenbogen in die Seite. Der Mund des Streuselkuchens klappt wieder zu.
Fühlt sich gut an, denkt Liz. Sehr gut sogar.Nur dass ihre Knie immer noch zittern. Sie fängt einen dankbaren Blick des Mädchens auf und lächelt zurück. Das Baby saugt immer noch gierig, aber ruhiger.
Unwillkürlich legt Liz ihre Hand auf den Sommermantel und ihren leicht gewölbten Bauch darunter. Trotz aller Unsicherheit wird ihr warm dabei. Zu Beginn ihrer Schwangerschaft hatte sie das Gefühl, in ein tiefes schwarzes Wasser gestoÃen worden zu sein. Aber inzwischen fühlt es sich gut an, so als wäre sie all die Jahre zuvor in der Tiefe gewesen und würde jetzt die Wasseroberfläche durchstoÃen, die Hände ausgestreckt, in die klare Luft.
Als sie am Bahnhof Landsberger Allee aussteigt, in der Nähe des Volksparks Friedrichshain, verlassen auch die beiden jungen Männer die Bahn. Mist. Sie geht schneller und biegt von der Landsberger Allee in die CotheniusstraÃe ein. Die Schritte hinter ihr sind verstummt. Die Kerle scheinen weg zu sein, wohin auch immer. Dennoch beschleunigt sie noch einmal ihre Schritte, bis sie vor der Haustür steht.
Den groÃen olivenfarbenen Lieferwagen mit den geschwärzten Scheiben auf der anderen StraÃenseite bemerkt sie nicht, ebenso wenig wie den Mann hinter dem Steuer, der in ihre Richtung späht. Und auch wenn sie den Mann nicht kennt, ein einziger Blick in seine Augen hätte vermutlich alles geändert, ihr ganzes Verhalten in den nächsten Minuten. Sie hätte ein leichtes Zittern gespürt, bis in die Beine hinunter. Dieses Zittern, das immer dann einsetzt, wenn der Körper Adrenalin ausstöÃt. Ihre Instinkte hätten ihr unmissverständlich signalisiert: Bleib zu Hause. Schlieà die Tür. Hol Hilfe!
Um genau das zu vermeiden, hält sich der Mann im Dunkeln. Er weiÃ, dass Liz alleine ist, und er weiÃ, dass Gabriel vermutlich genau jetzt in eine Einfahrt biegt und unter seinen FüÃen der leuchtend rote Kies knirscht.
Kapitel 4
Berlin â 1. September, 23:41 Uhr
Liz steckt den Schlüssel ins Schloss, tritt in den Hausflur und lässt die Tür hinter sich zuschlagen. Im ersten Stock wird eine Tür aufgerissen. »Gehtâs noch?«, ruft eine Frauenstimme. »Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?«
»âtschuldigung, Frau Jentschke, die Haustür ist kaputt«, erwidert Liz und rollt mit den Augen. Nicht auch noch die jetzt, denkt sie und lehnt sich an die Wand gegenüber von den Briefkästen, um abzuwarten, bis die Jentschke wieder in ihrer Wohnung verschwindet. Die Hauswand mit den wunderschönen alten Jugendstilfliesen kühlt ihren Rücken, und das tut gut. Wieder streicht sie mit der Hand über ihren Unterleib. Zwölf Wochen! Oder sind es schon dreizehn? Mit Gabriel würde sie jetzt noch eine Runde durch den Park gehen. Aber alleine? Sie denkt an den Spaziergang zurück, als sie ihm von dem kleinen blassrosa Pluszeichen auf dem Test erzählt hat.
Schwanger.
Die Frauenärztin hatte ihr jahrelang erzählt, sie könne keine Kinder kriegen, jedenfalls nicht auf natürlichem Wege, ihre Eileiter seien nicht intakt. Ihre Antwort war jedes Mal, dass sie keine wolle, warum auch? Der Job war ihr Baby. Und echte Babys, das war ein Job für Frauen wie Charlotte, ihre Schwester. Allein die quälenden Regelschmerzen waren Liz ein Gräuel. Am liebsten hätte sie ihre Periode abgeschafft, sie war ja ohnehin zu nichts gut.
Bis sie plötzlich den positiven Test in den Händen hielt.
Die Frauenärztin schaffte es auch noch, ihr ganz selbstverständlich zur Schwangerschaft zu gratulieren. »Sehen Sie, je lockerer man ist, desto eher klappt es. Oder wollen Sie das Kind etwa nicht?«
Nicht wollen?
Liz stand unter Schock. Sie hatte Kinder schon seit einer Ewigkeit aus ihrem Leben gestrichen, aber aus irgendeinem verrückten Grund hatte das Schicksal jetzt neue Karten verteilt.
Und das ausgerechnet mit jemandem wie Gabriel. Er kam ihr vor wie ein schwarzer Ritter, ein stiller Anakin oder Batman, gefangen in seinem Leben, aus dem er immer dann ausscherte, wenn ihm etwas ungerecht vorkam. Dann brach seine Wut aus ihm heraus, wie
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