Schnüffler auf Burg Schreckenstein
ihnen der Wind bis auf die Knochen durch. Sie merkten es nicht einmal. „Hoffentlich sitzen sie am Fenster“, flüsterte Fritz. „Klar. Jetzt sind ja die Sommergäste weg“, beschwichtigte Ottokar den Seltenfröhlich.
Sie versteckten die Räder am Rand des verwaisten Campingplatzes und flitzten zum Wirtshaus hinüber. Nur wenige Wagen standen auf dem Parkplatz, wo sich ein Zementmischer, ein Sandhaufen, Bretter und Ziegelsteine breitmachten. Bei Kress wurde immer irgend etwas gebaut.
Sie verteilten sich und schauten vorsichtig in die Gaststube. Da saßen sie! Und aßen. Studienrat Dings hatte schwer auffahren lassen. Eine Menge Schüsseln standen herum, die Kellnerin brachte gerade eine Flasche Wein und nahm eine leere vom Tisch.
Die Lauscher duckten sich. Die Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Autos schwenkten über sie hinweg, und droben am Fenster gab es ein Geräusch: Die Kellnerin hatte einen Flügel spaltbreit geöffnet.
„Vielen Dank!“ flüsterte Stephan.
Ottokar war zum Sandhaufen hinübergegangen. Mit einem Schubkarren kam er zurück und stellte ihn hochkant als Sicht- und Blendschutz auf.
Jetzt konnten sie bei dem angelehnten Fenster bequeme Lauschpositionen beziehen. Dings war dabei, sein ganzes Leben zu erzählen. Im Augenblick ging er noch zur Schule. Über den Kappellsee wehte ein eisiger Ostwind, der Stephan zu der Bemerkung veranlaßte : „Hoffentlich wird er schon mit achtzehn Studienrat!“
Auf der Burg ging’s zu dieser Zeit um so heißer her. Aus dem Wohnzimmer schallte Jazzklavierspiel, daß Klaus einen Stockwerk tiefer auf dem Flur stehenblieb. „Mann! Der Strehlau war wohl in den Ferien Aushilfspianist beim Arbeitsamt. So gejazzelt hat der noch nie!“
„Endlich mal wieder!“ freute sich der kleine Eberhard. „Die Horror Rock Band ist ja sanft entschlafen.“
Von allen Seiten stapften Ritter zum Wohnzimmer. Rhythmus war genau die richtige Ablenkung hei der gespannten Lage. Wer eintrat, dem fiel erst einmal der Kinnladen herunter. Strehlau saß nicht am Flügel, sondern lehnte im Mauerbogen, wie eine Sängerin, die gerade Pause hat. Auf dem Klavierbock wippte Bums und ließ die Finger sausen, daß es ein Fest war.
Andi rannte hinaus und kam mit seiner Trompete wieder, Hans-Jürgen holte die Flöte, Strehlau bearbeitete ersatzweise die Wirbeltrommel von Ottokars Schlagzeug, Oskar unterstützte den Rhythmus mit der Gitarre, und zu guter Letzt schleppte Rolle seinen Baß herein.
Nach einer längeren Jam Session — Improvisationen aller Beteiligten über bekannte Themen oder nur über eines – zog Bums nach einem zentnerschweren Akkord die Hände von den Tasten. Begeistert klatschten die Ritter, als sei die Schule schon gerettet.
„Ihr habt also doch eine Band! Das wollt ich euch die ganze Zeit schon fragen“, sagte Bums. „Dann dacht ich, das krieg ich auch so raus. Ich geb einfach Vier vor…“ Das tat er umgehend, die Horror Rocker setzten ein und swingten in die zweite Runde, nahtlos quer durch bekannte Evergreens.
„Als Student hat er in einer Dixielandband gespielt!“ wußte Rolle zu berichten.
Nach ausgiebiger Wühlarbeit in den Tasten klappte Bums sichtlich angeschlagen den Deckel zu.
„Sie machen uns ganz schön wach! Und nachher heißt’s dann, wir hätten nicht genug Schlaf!“
Strehlaus heiter-flapsiger Ton schien Bums zu gefallen.
„So? Wer behauptet das denn?“
„Ach…“ Hans-Jürgen nutzte die Gelegenheit. „Zum Beispiel die Leiterin von Rosenfels. Könnte ich mir vorstellen. Sie waren ja heute nachmittag dort. Aber auch andere, die sich nicht ausreichend bei uns auskennen.“
„Soso.“ Bums schwankte zwischen Schmunzeln und Erstaunen.
„Und woher willst du das so genau wissen?“
„Das seh ich! Das sieht jeder von uns“, erwiderte Hans-Jürgen todernst. „Alle Leute, die uns nicht über den Weg trauen, haben einen gelben Punkt auf der Nase.“
„Das walte Paule!“ flüsterte der kleine Herbert. Viele mußten sich den Mund zuhalten, um nicht loszuprusten. Sie dachten an Fräulein Dr. Horns schnabelartiges Riechorgan, das infolge schlechter Durchblutung mitunter gelblich schimmerte.
Auch Bums dachte das wohl. Seine Mundwinkel zuckten. Er blieb jedoch ernst. „Interessant!“ sagte er.
„Die Verfärbung nimmt bei wachsendem Vertrauen ab!“ Während Klaus das sagte, schielte er dem Schnüffler mit nicht zu übersehender Deutlichkeit auf die Nase.
Doch Bums meisterte die Lage mit einem überraschenden Einfall. „A propos
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