Schockstarre
werde ich allerdings tun und …«
»Auf mich wartet eine Anzeige«, unterbrach Katinka ihn unwirsch. »Wegen der Backpfeife, die ich Thurid verpasst habe.«
»Thurid Maas zeigt Sie nicht an. Sie hat es mir heute früh gesagt.«
»Wenn sie ihre Meinung ändert«, sagte Katinka, »dann sagen Sie mir Bescheid. Ich stehe zu dem, was ich tue.«
Hauptkommissar Wolf Schilling betrachtete Katinka nachdenklich. Er trug den Pulli, den Carolin Metze sich gestern Nacht von ihm ausgeliehen hatte. Am Kragen hingen ein paar blonde, lockige Haare.
»Wir werden später noch einmal mit Thurid sprechen. Wenn Sie dabei sein wollen …«
»Nein.« Katinka schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht. Nein.«
Schilling nickte und spielte mit seiner Brille herum.
»Wie kam Edith an die K.o.-Tropfen?«, fragte Katin-ka schließlich und verkniff sich ein Grinsen. Er hatte die Haare an seinem Pulli nicht bemerkt, sonst hätte er sie längst mit spitzen Fingern entfernt.
Schilling drückte den Café au lait-Schalter.
»Thurid fand angeblich das Fläschchen mit den Tropfen bei Mendel im Schreibtisch. Sie nahm alles an sich, aber Stick und Telefon haben Sie ja … sichergestellt.« Schilling grinste. »Thurid zeigte es Edith, die steckte es ein. Das war’s.«
»Und sein Handy hat sie ihm abgenommen, als sie ihn niedergeschossen hatte? Nach der Tat?«
Schilling nickte. Er kramte eine Formular aus seinem Schreibtisch. Es war schon ausgefüllt. Katinka erkannte es wieder.
»Wenn Sie uns nun noch den Erhalt Ihrer Waffe quittieren …«
Zu Mirko Büchners Freude mietete Katinka im Festungshof ein Doppelzimmer.
»Ich brauche ein paar Flaschen eiskaltes Bier und eine Kühltasche.
»Kühltasche?« Er sah ratlos drein. »Wir haben Minustemperaturen.«
»Egal. Und einen Öffner noch, bitte. Sie kriegen ihn zurück.«
Mirko Büchner brachte vier Flaschen Sturm’s Pilsner in jedem Arm und guckte ziemlich verwirrt drein.
Hardo saß aufrecht im Bett, als Katinka am späten Nachmittag bei ihm eintraf. Sie hielt die Kühltasche hoch.
»Macht Ihnen das Appetit?«
Sie küsste ihn auf die stachelige Wange.
»Appetit, ja.« Er lachte. Das Blubbergerät war verschwunden. »Und Mut. Vielleicht komme ich ja doch lebend hier raus.«
»Das nehme ich an«, bemerkte Katinka und setzte den Öffner an die erste Flasche Bier.
Die Tür ging.
»Katinka! Kommissar!«
Tom stürzte herein, eisige Luft um sich verbreitend, die Wangen gerötet. So sollte ein gesunder Mensch aussehen, dachte Katinka, während sie in umarmte, und nicht so blässlich wie Hardo.
»Alles o.k.?«, murmelte Tom in ihr Haar, ließ sie dann los und hielt Hardo die Hand hin.
»Tom!« Hardo sah überrascht aus, eine Gemütsregung, die er sonst zu verbergen pflegte. »Soviel Besuch. Ich habe erst im Altersheim damit gerechnet.«
Katinka beobachtete die beiden Männer, während sie endlich die Bierflaschen köpfte. Da war ein Glänzen in Hardos grauen Augen. Der freut sich, dachte sie. Es soll gesund sein, wenn man sich freut, auch wenn man die Freudentränen wegbeißt.
Sie reichte ihm eine Flasche und wandte sich an Hardos Leidensgenossen in dem anderen Bett.
»Möchten Sie auch?«
Der Mann machte ein dummes Gesicht, bevor er nach dem Bier griff.
Die Flaschen stießen mit einem satten Klack aneinander.
»Und Sie machen sowas bitte nicht noch mal.« Ka-tinka sah Hardo streng an.
»Nur, wenn Sie dabei sind.«
Katinka streckte ihm die Zunge raus.
»Ihre Freundin ist zwischen den Fronten herumgerobbt wie eine Guerillakämpferin«, sagte Hardo zu Tom.
»Das stimmt nicht. Ich habe nur den verwundeten Kameraden geborgen. Das ist eine Sache der Ehre.«
Tom legte den Arm um sie. Sie tranken und witzelten herum, bis es nicht mehr viel zum Reden gab. Als Ka-tinka hinter Tom das Krankenzimmer verließ, stürzten ihr die Tränen aus den Augen.
Sie lagen in dem breiten Bett, sahen den Schnee die Fensterscheibe entlangtänzeln.
»Leckeres Essen hier in der Bude«, sagte Tom.
Katinka seufzte. Sie kuschelte sich in seinen Arm, glücklich über den abgeschlossenen Fall und über die Maßen erleichtert von Hardos Fortschritten. Eine böse Stimme suggerierte ihr zwar, dass zu schnelle Genesung nach einer solchen Verletzung und Operation verdächtig wäre, aber sie verdrängte die Bedenken, um nicht wieder unruhig zu werden und diese enorme Wut in sich kochen zu spüren.
Stattdessen lenkte sie ihre Gedanken zu ihrem gestrigen Telefonat mit Tom. Sie war sich hundertprozentig
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