Schöne Bescherung
Als Plotek in den Jugendjahren vor einer großen Karriere als Fußballer stand, ist das Spiel oftmals vollkommen an ihm vorbeigelaufen. Nicht, dass er nicht hätte mitspielen wollen, nein, eher Gegenteil. Immer wieder hat er sich angeboten, die Hand gehoben, »Spiel doch!« gerufen, »Spiel doch ab, du Arschloch«, aber doch keine Anbindung ans Match gefunden. Irgendwie lief alles über die linke Seite, wenn er rechts auf Bälle wartete. Oder rechts, wenn er links auf einen Pass spekulierte. Er stand immer am falschen Platz. Und wenn er dann doch mal einen Ball bekam, war er im Abseits.
Das gibt’s. Ein Leben lang im Abseits. Natürlich schlägt das langfristig dann auf die Psyche. Und die schlägt dann irgendwann zurück. In der 79. Minute hat Plotek damals im Aufstiegskampf seinem Gegenspieler mit einer Blutgrätsche den Oberschenkelknochen gebrochen. Die Folge: Plotek wurde nicht nur vorzeitig zum Duschen geschickt, sondern musste auch die nächsten vier Spiele zugucken. Bedeutete fürs Spiel: Unterzahl. Daraus resultierend: in der 82. Minute der Ausgleich, in der 84. Führungstreffer. Summa summarum: Meisterschaft futsch, Aufstieg ade. Und für Plotek: Arschkarte.
Aber zurück ins Hotel und zur Reisebegleitung. Da blieb Plotek auch auf der Arschkarte sitzen, weil zweitens Herr von Alten nur die eine Seite der Reisebegleiter-Rolle mimen wollte. Die mit Aussicht auf Beifall, Bewunderung und Respekt. Die andere Seite, die Arschkarte, ließ er in der Reverstasche von Plotek stecken.
Nachdem ein älterer Mann, der mit seinem hängenden linken Augenlid unweigerlich an den Komiker Karl Dali erinnerte, in grauer Uniform und Schildmütze mit einem vergoldeten Handwagen das Gepäck aus dem Bus ins Hotel gefahren hatte und die ersten Ahs und Ohs verklungen waren, schien auch die anfängliche Euphorie vorbei zu sein. Nicht etwa, weil die angepriesenen vergoldeten Armaturen nicht aus Gold waren oder die Minibar nicht mit allem bestückt war, was das Herz begehrte, sondern weil es manchen Menschen eben gar nicht recht zu machen ist. Soll heißen: Wenn man ihnen den Finger reicht, reißen sie einem gleich die ganze Hand aus.
»Herr Plotek, bitte, so geht das nicht. Herr Plotek, bitte, ich muss zusammen mit meiner Enkelin in einem Zimmer untergebracht werden«, sagte Frau von Ribbenhold, nachdem sie ihr Zimmer besichtigt und darin nur ein Bett entdeckt hatte. »Das Mädchen ist doch erst sechzehn! Die braucht doch noch jemand, der sich um sie kümmert, der auf sie schaut – was denken Sie sich bloß dabei, Herr Plotek!«
Plotek dachte sich nichts, höchstens: Leck mich doch am Arsch, und: 16 – die sieht aus wie mindestens 22! Anatomisch und ästhetisch, jetzt. Quasi Brust, Po, Beine, Schminke und alles. Da sieht man mal wieder. Auch mit sechzehn sind die jungen Dinger heutzutage schon so weit, dass sie längst selbst anfangen zu gucken. Ausschau halten, wo ein vermeintlicher Geschlechtspartner hockt, um sich dann um die Arterhaltung zu kümmern. Kein Wunder, wenn sie schon mit elf ihre Periode bekommen. Neulich hatte Plotek im Fernsehen eine zehnjährige Mutter mit ihrem frisch geborenen Kind gesehen und gedacht, soll man Kinder wie Menschen behandeln? Eine provozierende Frage auf den ersten Blick. Guckt man näher hin und schaut ein Baby genauer an, leuchtet manches ein: Das soll das Survival-of-the-fittest-Prinzip sein? Dieser verschrumpelte, zahnlose Haufen, der am ehesten an einen kleinen Seehund oder Winston Churchill erinnert, soll die Krönung der Schöpfung sein? Dieser zerknitterte Klumpen, der nicht einmal Tageslicht verträgt, nichts kann – weder sprechen, Werkzeuge benützen, noch kontrolliert die Muskeln bewegen. Willkürlich zuckt der Schließmuskel und das Ding liegt in den eigenen Exkrementen und lallt debil vor sich hin. Dieser Zellbatzen soll auf der evolutionären Leiter ganz oben stehen? Stehen! Es kann ja nicht mal aufrecht sitzen. Als Mensch ist das Baby ein Rohrkrepierer. Aber als Baby ist es perfekt. Wie alle anderen Tiere hat es nur eine Aufgabe: wachsen. Und dafür gibt es nur eine Devise: fressen, fressen, fressen. Und kacken.
Über das Stadium schien Marie-Louise längst hinweg zu sein. Sie hatte alles, was nötig war, um nicht nur an Apfelmus, Frikadellen und Bratkartoffeln zu denken oder auf dem Klo zu sitzen. Zumindest so viel, dass sie nicht von ihrer siebzigjährigen Großmutter umsorgt zu werden brauchte. Aber das schien der alten von Ribbenhold in ihrem Gefühlstaumel für Herrn von
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