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Schöne Bescherung

Schöne Bescherung

Titel: Schöne Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Gesicht lesen. Was? Keine Ahnung – vielleicht wollte er herausfinden, was den leibhaftigen von dem im Reisepass abgebildeten Plotek unterschied. Auch Plotek schaute den Grenzbeamten an und dachte, was der sich jetzt wohl denkt. Vielleicht, wie kann man sich nur so verändern. Wie kann man innerhalb von wenigen Jahren so fett werden, so unansehnlich, so verlebt aussehen. Plotek hätte es ihm schon sagen können. Aber der Grenzer fragte ja nicht, schaute nur. Und dachte. Vielleicht: Ist das nicht die Matschbirne aus dem Alzgerner Forst? Oder der Exhibitionist aus dem Stadtpark, der kleine Buben erschreckt? Gar der Unfallflüchtige? Oder alle zusammen? Vielleicht denkt er aber auch was ganz anderes, dachte Plotek. So ein Hirn eines Polizisten funktioniert ja anders als das Hirn keines Polizisten. Ein Polizistenhirn funktioniert ganz anders als man denkt. Vielleicht denkt er gerade bei Ploteks Anblick einfach nur an die fette Weihnachtsgans, die er mit seiner Geliebten bald verspeisen wird. Oder an die EU-Erweiterung. Und daran, dass er dann endlich seiner nörgelnden Alten und den zwei Kindern den Rücken zukehren und für immer mit seiner Geliebten auf Mallorca ein neues Leben beginnen könnte. Oder Teneriffa. Aber womit?, wollte Plotek, sich in die Gedanken des Polizistenhirns einmischend, sagen. Mit dem schäbigen Grenzbeamten-Salär, mit dem du nicht mal deine nörgelnde Alte und die zwei Rotzlöffel ernähren kannst, geschweige denn deine Geliebte? Ja, du hast Recht, die ist schön, ja sehr schön und blond (wenn auch nur blondiert, aber egal), aber auch für den Kapitalismus äußerst empfänglich. Ständig fordert sie neue Klamotten ein und Schmuck, Ringe, Ketten, technische Geräte, Handy, CD, MD, DVD, exotische Speisen, Lachs, Hummer, Kaviar, Freizeit und alles. Denk daran!
    Natürlich sagte Plotek nichts – warum anderen Ratschläge erteilen, wo die eigenen einen selbst schon ruinieren. Er sagte also nichts. Dafür hörte er jetzt: »Frau Kaspar? Hermine Kaspar?« Noch immer in Gedanken im Hirn des schnauzbärtigen Grenzpolizisten dachte er, vielleicht ist das seine schöne Geliebte – Hermine Kaspar, zwar ungewöhnlich für eine Tschechin, aber warum nicht – , mit der er nach der EU-Erweiterung die fette Weihnachtsgans auf Mallorca verspeist und die einmal mehr nach Luxusgütern aus dem Westen verlangt. Aber vergiss es! Es dauerte nicht lange, bis Plotek schließlich merkte, dass Hermine Kaspar nicht die Geliebte des Grenzbeamten war.
    »Hermine Kaspar!«, las der Grenzbeamte, jetzt schon ein wenig säuerlich, in dem aufgeschlagenen Pass in seiner Hand. Dann suchte er die Busreihen nach einem entsprechenden Gesicht ab. Als sich Hermine Kaspar immer noch nicht meldete und der Grenzbeamte das passende Gesicht nicht finden konnte – dafür sich jetzt alle Busreisenden vergeblich fragten: Wer um Himmels willen ist Frau Kaspar? – , war schließlich allen, außer vielleicht Plotek klar, was das zu bedeuten hatte. Sogar Frau Klinkermann erhob sich von der Rückbank und vergaß kurzzeitig ihre Trauer ob des plötzlichen Hasentods.
    »Scheiße«, murmelte Schnabel und guckte Plotek erwartungsvoll an, als ob sich Hermine Kaspar, letzte Hoffnung, vielleicht ebenfalls in einer Handtasche versteckt hielt und Plotek draufsaß.
    Frau Kaspar aber war weder in einer Handtasche, noch im Bus. Sie war auch nicht im Gepäckraum und auch nicht in den Koffern, die alle aufgemacht und durchsucht werden mussten. Selbst in den für die Benützung gesperrten Toiletten war von Frau Kaspar keine Spur. Da schauten der ehebrechende Grenzbeamte und seine Kollegen nämlich ebenfalls nach, während Ferdinand Schnabel einen Schweißausbruch nach dem anderen hatte. Er nässte nicht nur mehrere große, karierte Taschentücher voll, auch auf seinem Hemd bildeten sich klodeckelgroße Flecken. So schwitzt nur einer, der Angst hat, dachte Plotek, oder die Hosen voll, und versuchte sich krampfhaft an Hermine Kaspar zu erinnern. Plötzlich war Plotek klar, das kann nur die Frau mit Hut hinter dem Fahrersitz gewesen sein, die kurz nach München schon eingeschlafen war. Nach einem vergewissernden Seitenblick stand für Plotek fest: Die saß da jetzt eindeutig nicht mehr. Und auch sonst war sie nirgends zu finden. Sie hatte sich nämlich gar nicht versteckt.
    »An der Raststätte vergessen«, sagte Schnabel schließlich und warf Plotek einen bösen Blick zu. Quasi, dein Ressort.
    »An welcher?«, fragte Herr von Alten.
    »Keine Ahnung.«
    Die

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