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Schöne Khadija

Schöne Khadija

Titel: Schöne Khadija Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Cross , Tanja Ohlsen
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betrachtete sie aufmerksam. »Hat deine Familie auch solche Kamele?«
    »Psst!« Ich warf ihr einen warnenden Blick zu. Maamo hatte uns gebeten, nicht über Khadijas Familie zu sprechen. Man weiß nie, wer zuhört.
    Khadija hob den Kopf. »Mein Vater hatte fünfundzwanzig Kamele. Aber ein paar davon hat er verkauft, um mich hierher schicken zu können. Und jetzt, bei dieser Dürre …« Sie zuckte wieder so komisch schief mit den Schultern.
    »Vielleicht geht es ihnen ja noch gut«, meinte Fowsia und gab ihr einen aufmunternden Stoß. »Sieh doch mal, ob sie dir eine E-Mail geschickt haben.«
    Aber in Khadijas Posteingang waren keine neuen Nachrichten. »Vielleicht waren sie nicht in der Nähe von irgendwelchen Orten«, murmelte sie. »Vielleicht …« Sie runzelte nachdenklich die Stirn, dann beugte sie sich über die Tasten und begann selbst eine Nachricht auf Somali zu schreiben. Iska waran, Mahmoud …
    Im anderen Fenster auf dem Bildschirm sah ich noch das eingefrorene Bild des letzten Videos. Es zeigte einen Mann mit Jeans und einem zerrissenen T-Shirt von hinten. Er trug einen Dolch im Gürtel und hatte die Schultern beim Gehen nach vorn gezogen. Das Bild erinnerte mich an den Tag, als ich den Dolch meines Vaters im Schlafzimmer gefunden hatte.
    Ich hatte damit gespielt und so getan, als würde ich einen Feind erstechen, als er hereinkam und mich festhielt. Nein, Abdi, sagte er und legte seine langen schlanken Finger um den Griff des Dolches. Wir haben dich hierher gebracht, damit du nie einen Dolch benutzen musst. Er wand ihn mir aus der Hand und steckte ihn wieder in die stabile Lederscheide.
    An einer Seite der Scheide war ein langer, schartiger Kratzer. Ich starrte einen Augenblick darauf und fragte mich, ob dieser oder ein anderer Dolch den Kratzer verursacht hatte. Selbst damals war mir klar gewesen, dass mein Dad den Dolch nicht einfach wegwerfen konnte. Er brauchte ihn – denn er ging nach Somalia zurück.
    Es war fast das letzte Mal, dass ich ihn gesehen hatte.
    Wie war er gestorben? War er von Feinden ermordet oder im Kampf erschossen worden? Oder war er verhungert oder verdurstet, bevor wir ihm das Geld schicken konnten? Ich kannte die Antwort nicht. Ich wusste nicht einmal, was mit dem Geld passiert war. Auch darüber redete Maamo nicht.
    Ich starrte weiter auf den mageren Mann auf dem Bildschirm, wie er hinter seinem hässlichen Kamel herging, aber ich sah ihn nicht wirklich.

Abdi und Fowsia verstanden gar nichts.
    Was war nur los mit ihnen? Selbst wenn sie die Webseiten nicht lesen konnten, auf den Bildern konnten sie doch sehen, was passierte. Wieso verstanden sie nicht, was in Somalia los war?
    Hatten sie noch nie ein Kamel gesehen?
    Diese Menschen in Somalia hatten nichts. Nur ein paar verhungernde Tiere mit eingefallenen Augen und Rippen, die hervorstanden wie Messer. Wenn ich an all das dachte, was es hier in England gab – selbst das schreckliche Essen, das sie mir in der Schule gaben –, dann hätte ich am liebsten alles zusammengepackt und sofort nach Somalia geschickt.
    Aber Kartoffeln, Fleisch und Joghurt kann man nicht per Post senden. Nur Geld.
    Konzentrier dich auf deine Ausbildung. Das hatte mein Vater zu mir gesagt, als er mich weggeschickt hatte. Dann kannst du viel Geld verdienen und uns allen helfen. Aber wie sollte ich warten, bis es so weit war, wenn die Leute jetzt verhungerten? Was war das Geld noch wert, wenn alle, die ich liebte, tot waren?
    Das alles wollte ich Abdi und Fowsia zu gern sagen, aber ich wusste, dass sie das nicht verstehen würden. Nicht, wenn ihnen die Bilder nichts
     sagten. Also wandte ich ihnen den Rücken zu und schickte stattdessen Mahmoud eine E-Mail.
     
    Iska waran, Mahmoud …
    Wie geht es euch, Mahmoud? Schreib mir bitte, sobald du das liest, und sag mir, was los ist. Geht es Zainab und Sagal gut? Warum hast du dich so lange nicht gemeldet? Ich bete jeden Tag darum, dass ihr Wasser und Weiden für die Tiere findet. Ich weiß, dass es schwer ist, aber hab keine Angst. Ich werde eine Arbeit finden und Geld schicken, sehr bald sogar. Ich verspreche es.
    Deine Schwester, die Giraffe.
     
     
    Nachdem ich die Nachricht abgeschickt hatte, schob ich den Stuhl zurück und stand auf. Abdi hatte zwar noch für ein paar Minuten mehr bezahlt, aber es hatte keinen Sinn, noch länger am Computer zu sitzen.
    Was ich jetzt brauchte, war ein Job.
     
    Ich musste ein paar Tage lang nachdenken, bis mir jemand einfiel, der mir einen Job geben könnte. Und das

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