Schöne Khadija
rechtzeitig zusammenbekommen – und jetzt ist er tot. Ihr dürft Khadija nicht daran hindern, ihrer Familie zu helfen.«
Abdi drehte sich zu ihr um und rief heftig: »Sei still! Wir haben alles getan, was wir konnten!«
»Das stimmt«, sagte Maamo scharf. »Was geschehen ist, war nicht unsere Schuld. Er …« Plötzlich klappte sie den Mund zu und stand auf.
Aber ich konnte das Gespräch nicht so enden lassen. »Also, wird Abdi mich bringen?«
Maamo nahm die Mehltüte. »Das muss er selbst entscheiden«, meinte sie steif. »Komm, Fowsia. Hilf mir, die Lahoohs zu machen.« Sie gingen in die Küche und ich blieb mit Abdi zurück.
»Bitte«, sagte ich leise. »Du hast die Bilder doch gesehen. Du weißt, wie meine Familie in Somalia lebt. Ich muss ihnen helfen.«
Er sah mich einen Augenblick lang an und nickte dann widerwillig. »Na gut. Ich mache es eine Weile, nur um zu sehen, wie es läuft.«
In diesem Frühjahr muss Sandy sieben Tage die Woche zwanzig Stunden gearbeitet haben. Ich blieb bei Dad – etwas anderes hatte gar keinen Sinn – und fragte mich schon, ob ich sie je wiedersehen würde.
Dann kam ich eines Tages kurz nach Ostern aus der Schule nach Hause und sah sie bei Dad in der Küche sitzen. Sie machte arme Ritter. Als sie die Tür hörte, drehte sie sich zu mir um und grinste.
»Willst du sie mit Zimt und Zucker?«
»Was tust du hier?«, fragte ich.
»Ich bin deine Mutter, weißt du noch?« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und kramte im Schrank. »Ich nehme an, dein Vater hat Zimt?«
»Er hasst Zimt. Wieso weißt du das nicht?« Manchmal konnte ich nicht glauben, dass sie zehn Jahre zusammengelebt hatten. »Warum bist du nicht bei der Arbeit?« Plötzlich bekam ich einen Schrecken. »Dad ist doch nichts passiert, oder?«
»Natürlich nicht«, antwortete Sandy in einem Tonfall, als sei das völlig unmöglich. »Ich brauche nur ein bisschen Hilfe.«
»Von mir?« Wie sollte ich ihr denn helfen? Als ich klein war, habe ich manchmal die Stecknadeln gehalten, wenn sie Stoffe drapierte, aber damit endete meine Nützlichkeit auch schon. »Was soll ich denn tun?«, fragte ich vorsichtig.
Sandy gab die Suche nach Zimt auf und schloss die Schranktür. »Nun, für den Anfang … sieh dir das hier mal an.« Sie nahm einen Zeitungsausschnitt von der Arbeitsfläche. »Was empfindest du dabei?«Sie reichte ihn mir, stellte dann die Pfanne auf den Herd und sah mich von der Seite her an, als ich das Bild betrachtete.
Ich hatte etwas Außergewöhnliches oder Bizarres erwartet, aber es war nur ein gewöhnliches Foto einer verschleierten Frau, die von Kopf bis Fuß in Schwarz gehüllt war. Nur ihre Augen waren zu sehen.
Ich verzog das Gesicht. »Du weißt doch, was ich davon halte.«
»Mich interessiert nicht, was du davon hältst «, meinte Sandy ungeduldig. Als ob Denken nicht wichtig wäre. »Ich will wissen, was du empfindest . Was war deine erste Reaktion, als du das Bild gesehen hast?«
Was wollte sie? Ich sah das Bild genauer an. »Nun, wenn sie sich wirklich so anziehen will …«
»Hör auf, so logisch zu denken«, rief Sandy und warf das Brot in die Pfanne. »Ich will dein Bauchgefühl. Als du das Bild gesehen hast, warst du da nicht einmal für einen Augenblick … neugierig? Hast du dich nicht gefragt, wie es wohl ist, so etwas zu tragen?«
»Natürlich nicht«, entgegnete ich heftig.
»Lügnerin. Natürlich gab es diesen Moment. Jeder will gerne wissen, wie das ist. Weil … weil …« Sie runzelte die Stirn und biss sich auf die Lippe. Ich konnte geradezu hören, wie die Ideen in ihrem Kopf herumschwirrten.
Sie ist total mies darin, jemandem ihre Ideen zu erklären. Das ist wohl kaum überraschend. Wenn sie ihre Ideen in Worte fassen könnte, wäre sie Dichterin, nicht Modedesignerin.
»Was soll das mit den Schleiern eigentlich?«, fragte ich. »Gehört das zu deiner Somalia-Sache? Ich glaube nicht, dass sie da Schleier tragen.«
»Nimm nicht alles so wörtlich, Freya. Ich habe nicht vor, eine Somalia-Show auf die Beine zu stellen. Ich will herausfinden, wie wir unsere Kleidung erfahren. Deshalb habe ich die hier gemacht.«
Sie schoss durch die Küche – und vergaß dabei völlig die Pfanne. Das Brot brannte gerade an, aber ich war ja da und konnte es retten. Als ich mich umdrehte, hielt sie ein dickes Bündel schwarzen Stoff in der Hand.
»Das ist für dich«, sagte sie. Sie schnippte mit der Hand und das Bündel entrollte sich vor meinen Augen in schweren Falten.
»Du
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