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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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zu sein.«
    Lenina lächelte triumphierend. Aber sie freute sich zu früh.
    »Und doch«, fuhr er nach einer kleinen Pause fort, »wollte ich fast, alles hätte anders geendet.«
    »Anders?« Konnte es denn auch anders enden?»Nicht im Bett geendet«, erklärte er.
    Sie war überrascht.
    »Nicht gleich, nicht schon am ersten Tag.«
    »Aber was sonst -?«
    Nun begann er eine Menge unverständliches, gefährliches Zeug zu schwatzen. Lenina tat ihr möglichstes, sich im Geist die Ohren zuzuhalten, aber manchmal drang doch der eine oder andere Satz ein. »- versuchen, meine Triebe zu zügeln«, hörte sie ihn sagen. Diese Worte schienen einen Mechanismus in ihrem Kopf auszulösen.
    »Was dir heute Freude macht, das verschieb nicht über Nacht«, sagte sie ernst.
    Er antwortete darauf nur: »Zweihundert Wiederholungen zweimal in der Woche von vierzehn bis sechzehneinhalb.« Der tolle, verruchte Wortschwall brauste weiter.
    »Leidenschaft will ich kennenlernen!« hörte sie ihn ausrufen. »Ich will Gefühle in ihrer ga nzen Macht!«
    »Wenn der einzelne fühlt, wird das Ganze unterwühlt«, deklamierte Lenina.
    »Nun, und warum soll das Ganze nicht ein bißchen unterwühlt werden?«
    »Sigmund!«
    Aber er ließ sich nicht einschüchtern.
    »Erwachsene, was Verstand und Leistung angeht«, fuhr er fort. »Aber Kinder, was Gefühl und Triebe betrifft.«
    »Ford der Herr liebte die Kindlein.«
    Ohne den Einwurf zu beachten, setzte er hinzu: »Neulich kam mir plötzlich in den Sinn, daß man immer erwachsen sein könnte.«
    »Ich verstehe kein Wort von alledem.« Ihr Ton blieb fest.
    »Das weiß ich. Und deshalb sind wir gestern miteinander ins Bett gegangen - wie kleine Kinder, statt wie Erwachsene zu handeln und zu warten.«
    »Aber es war doch ein großer Spaß«, beharrte sie, »nicht wahr?«
    »Oh, der größte Spaß, den man sich denken kann«, erwiderte er, jedoch in so traurigem Ton und mit so unglücklicher Miene, daß Lenina ihren Triumph plötzlich schwinden spürte. Vielleicht hatte er sie doch zu dick gefunden?
    »Ich hab's dir gleich gesagt«, antwortete Stinni nur, als Lenina ihr alles beichtete. »Das kommt vom Alkohol in seinem Blutsurrogat.«
    »Und trotzdem habe ich ihn gern. Seine Hände sind so schrecklich lieb. Und wie er die Schultern bewegt - höchst anziehend.« Sie seufzte. »Wenn er nur nicht so merkwürdig wäre!«
    Vor der Tür des Direktors blieb Sigmund stehen, holte tief Luft und straffte die Schultern, denn er war überzeugt, daß ihn drin Feindseligkeit und Mißbilligung erwarteten.
    Er klopfte und trat ein.
    »Ein Erlaubnisschein zur Paraphierung, Herr Direktor«, sagte er so unbefangen wie möglich und legte das Blatt auf den Schreibtisch.
    Der BUND warf ihm einen säuerlichen Blick zu. Doch das Blatt trug am Kopf den Stempel des Weltaufsichtsamts und unten schwarz auf weiß die energische Unterschrift Mustafa Mannesmanns. Alles war vollkommen in Ordnung, dem Direktor blieb nichts anderes übrig, als zu unterschreiben. Er kritzelte seine Paraphe, zwei winzige, belanglose Buchstaben zu Füßen Mustafa Mannesmanns, und wollte das Schriftstück schon ohne eine Bemerkung oder ein herzliches »Reisen Sie mit Ford!« zurückreichen, als sein Blick auf eine Stelle im Text fiel.
    »In die neumexikanische Reservation?« fragte er. Seine Stimme und der zu Sigmund erhobene Blick verrieten eine gewisse Betroffenheit.
    Überrascht von der Überraschung des Direktors, nickte Sigmund, Schweigen.
    Stirnrunzelnd lehnte sich der BUND in seinen Stuhl zurück. »Wie lange ist das nun her?« sagte er mehr zu sich als zu Sigmund. »Zwanzig Jahre werden es sein. Eher fünfundzwanzig. Ich muß etwa so alt wie Sie gewesen sein...«
    Seufzend schüttelte er den Kopf.
    Sigmund fühlte sich äußerst unbehaglich. Ein Mann wie der BUND, so etepetete und pedantisch genau, beging plötzlich einen so offenkundigen Verstoß. Am liebsten hätte er sein Gesicht verhüllt und wäre davongelaufen. Nicht daß er persönlich etwas schlechterdings Verwerfliches darin erblickt hätte, wenn jemand von vergangenen Zeiten sprach. Dieses Schlafschulvorurteil glaubte er wie manches andere völlig überwunden zu haben. Aber es war beklemmend für ihn, zu wissen, daß der Direktor derlei mißbilligte, und zwar aufs schärfste, und sich dennoch zu solch verbotenem Tun hatte hinreißen lassen. Was trieb ihn dazu? Voller Unbehagen, aber auch voller Neugier, hörte er zu.
    »Ich wollte einmal dasselbe«, sagte der Direktor. »Wollte mir die

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