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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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eine Besuchserlaubnis hatten. Eine einmalige Gelegenheit für sie. Andererseits war auch Sigmunds Eigenart etwas so Einmaliges, daß sie fast gezögert hatte, die Gelegenheit zu ergreifen, und nahe daran gewesen war, nochmals dem Nordpol in Gesellschaft des komischen guten Benito ins Auge zu blicken. Benito war wenigstens normal. Aber Sigmund...
    »Alkohol im Blutsurrogat«, war Stinnis Erklärung für alles Ungewöhnliche. Henry dagegen, mit dem Lenina eines Abends im Bett ein bißchen besorgt über ihren zukünftigen Liebhaber gesprochen hatte, verglich den armen Sigmund mit einem Rhinozeros.
    »Man kann einem Rhinozeros nichts beibringen«, hatte er auf seine knappe, treffende Art gesagt. »Mancher Mensch ist fast wie ein Rhinozeros; er reagiert nicht ordentlich auf Normung. Sigmund ist so ein armer Teufel. Zum Glück ist er auf seinem Posten recht tüchtig, sonst hätte ihn der Direktor schon längst gefeuert. Übrigens«, schloß er aufmunternd, »halte ich ihn für recht harmlos.«
    Recht harmlos, vielleicht; aber auch recht beunruhigend. Vor allem dieser krankhafte Trieb, nichts öffentlich zu tun. In der Praxis lief das alles darauf hinaus, überhaupt nichts zu tun. Denn was konnte man im Grunde nicht öffentlich tun, außer, natürlich, mit jemandem zu schlafen; und das konnte man doch nicht die ganze Zeit!
    Aber sonst? Äußerst wenig. Am Nachmittag ihres ersten gemeinsamen Spazierflugs war besonders schönes Wetter gewesen. Lenina hatte vorgeschlagen, im Zoppoter Kasinoklub zu schwimmen und auf der Solitüde zu essen. Aber Sigmund meinte, daß dort überall zu viele Leute seien.
    Dann vielleicht eine Partie elektromagnetisches Golf in Baden-Baden? Auch das nicht; elektromagnetisches Golf halte er für Zeitvergeudung.
    Ja, wofür die Zeit denn sonst da sei? fragte Lenina einigermaßen erstaunt.
    Offenbar für Fußtouren im Allgäu; das schlug er nämlich daraufhin vor. Auf der Spitze des Hochvogels landen und ein paar Stunden über die Almen wandern. »Ganz allein mit dir, Lenina!«
    »Aber Sigmund, wir sind doch die ganze Nacht allein.«Sigmund sah errötend zur Seite. »Allein, um miteinander zu reden, meine ich«, murmelte er.
    »Reden - worüber denn?« Wandern und Reden - ein seltsames Programm für einen freien Nachmittag!
    Zuletzt überredete sie ihn, sehr gegen seinen Willen, nach London hinüberzufliegen und sich die Semi-Demi-Finale der Schwergewichtlerinnen-Boxmeisterschaft anzusehen.
    »Mitten in der Menge«, murrte er, »wie immer.«
    Während des ganzen Nachmittags blieb er hartnäckig schlechter Laune, sprach kein Wort mit Leninas Bekannten, die sie in den Pausen zu Dutzenden in der Eiscremesoma-Bar trafen, und weigerte sich trotz seiner unglücklichen Stimmung entschieden, ein Stachelbeereis mit Schlagsoma zu nehmen, das sie ihm aufnötigen wollte.
    »Ich will lieber ich bleiben«, sagte er. »Ich, das Ekel. Und nicht ein anderer werden, auch wenn der noch so lustig wäre.«
    »Bist du verdrossen, flugs Soma genossen!« sagte Lenina und gab damit eine schimmernde Perle Schlafschulweisheit zum besten.
    Ungeduldig stieß Sigmund das Schüsselchen weg.
    »Deswegen brauchst du nicht gleich heftig zu werden«, besänftigte sie ihn. »Vergiß nicht, ein Kubikzentimeter vertreibt zehn Miesepeter!«
    »Also jetzt sei doch um Fords willen endlich still!« schrie er.
    Sie zuckte die Achseln. »Ein Gramm versuchen, ist besser als fluchen«, schloß sie mit Würde und aß das Eis selbst.
    Auf dem Rückflug über die Nordsee ließ sich Sigmund nicht davon abbringen, den Propeller abzuschalten und, von den Hubschrauberflügeln getragen, fünfzig Meter über den Wellen in der Luft zu verweilen. Das Wetter hatte sich verschlechtert; ein Südwestwind war aufgekommen, und der Himmel hatte sich bewölkt.
    »Sieh mal hinaus!« befahl er.
    »Aber das ist ja schrecklich!« rief Lenina, vom Fensterzurückweichend. Die tosende Leere der Nacht, das schwarze, schaumgefleckte Wasser, das sich unter ihnen hob und senkte, das bleiche Antlitz des Mondes, so hager und verstört zwischen den jagenden Wolken, erschreckte sie. »Laß uns das Radio anstellen, rasch!« Sie gr iff nach dem Knopf auf dem Schaltbrett und stellte irgendeinen Sender ein.
    »- der Himmel so blau«, sangen sechzehn tremolierende Falsette, »das Klima so lau -«
    Ein Grunzen, dann Schweigen. Sigmund hatte abgeschaltet.
    »Ich will das Meer ungestört betrachten«, erklärte er.
    »Noch nicht einmal etwas betrachten kann man bei diesem

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