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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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welches brachte. Pope war einer meiner Freunde. Aber man fühlt sich gar nicht wohl danach, nach Mescal, meine ich, und vom Peyotl wird einem übel.
    Und dieses schreckliche Schamgefühl war am nächsten Tag nur noch ärger als zuvor. Ich schämte mich ja so! Bedenken Sie nur: Ich, eine Beta, hatte ein Kind. Versetzen Sie sich in meine Lage!« (Die bloße Andeutung machte Lenina schaudern.) »Obgleich ich beschwören kann, daß es nicht meine Schuld war. Ich weiß es ja noch immer nicht, wie es kam, ich habe doch den ganzen Malthusdrill mitgemacht - Sie wissen doch, wo ein, zwei, drei, vier gezählt wird -, den ganzen Kurs, ich schwöre es. Trotzdem ist das Malheur passiert, und hier gibt's selbstverständlich keine Abtreibungsklinik oder dergleichen. Übrigens, ist die noch immer in Sanssouci?« fragte sie. Lenina nickte. »Und noch immer jeden Dienstag und Freitag angestrahlt?« Lenina nickte abermals. »Der schöne rosa Glasturm!« Die arme Filine hob das Gesicht und betrachtete mit geschlossenen Augen verzückt die leuchtenden Bilder ihrer Erinnerung. »Und die nächtlichen Seen!« flüsterte sie. Große Tränen quollen langsam zwischen den dichtgeschlossenen Lidern hervor. »Und abends der Heimflug vom Kasinoklub. Dann ein heißes Bad und Vibrovakuummassage...
    Aber hier!« Sie seufzte tief, schüttelte den Kopf, öffnete die Augen, schnüffelte ein paarmal und schneuzte sich dann mit den Fingern, die sie am Kleidersaum abwischte.
    »Oh, entschuldigen Sie vielmals!« sagte sie, als sie Leninas unwillkürliche Grimasse des Ekels bemerkte. »Ich weiß, das gehört sich nicht. Entschuldigen Sie! Aber was soll man tun, wenn es keine Taschentücher gibt? Ich weiß noch genau, wie ich außer mich geriet über den vielen Schmutz, und weil nichts aseptisch war. Als man mich hierherbrachte, hatte ich eine gräßliche Kopfwunde. Sie ahnen nicht, mit was man sie behandelt hat. Mit Dung, jawohl, mit Dung! ›Je zivilisierter, desto sterilisiertem, sagte ich ihnen immer wieder. Und ›Hopp, hopp, hopp! Bazillchen lauf Galopp! Hier bei uns gedeihst du nimmer, marsch ins Klo und Badezimmer!‹, wie zu kleinen Kindern. Natürlich verstanden sie kein Wort. Wie sollten sie auch? Und schließlich muß ich mich wohl daran gewöhnt haben. Wie soll man denn auch seine Sachen sauberhalten, wenn es kein Warmwasser gibt? Sehen Sie sich diese Kleider an!
    Solch elendes Wollzeug ist nun einmal kein Azetat. Es hält und hält. Und man soll es flicken, wenn es zerrissen ist!
    Aber ich bin eine Beta und habe nur im Befruchtungsraum gearbeitet, und niemand hat mir jemals so was beigebracht. Es gehörte nicht zu meinen Aufgaben. Und es galt auch immer für ungehörig, Kleider zu flicken. Wegwerfen, wenn sie schäbig werden, und neue kaufen! ›Je mehr Nähte, desto mehr Nöte.‹ Das stimmt doch? Ausbessern ist unsozial. Hier dagegen ist alles ganz anders. Als lebte man in einem Narrenhaus. Alles, was sie treiben, ist verrückt.«
    Sie blickte sich um und sah, daß Michel und Sigmund den Raum verlassen hatten und draußen im Staub und Unrat vor der Hütte auf und ab gingen. Dennoch dämpfte sie vertraulich die Stimme und neigte sich so nahe zu Lenina, die erstarrend zurückschreckte, daß ihr nach Embryogift riechender Atem deren Schläfe und Wange streifte. »Nehmen Sie, zum Beispiel«, flüsterte sie heiser, »die Art und Weise, wie es hier zwischen Männern und Frauen gehalten wird!
    Verrückt, sage ich Ihnen, einfach verrückt. Jeder ist doch seines Nächsten Eigentum, nicht wahr, nicht wahr?«
    fragte sie eindringlich und zog Lenina am Ärmel. Lenina nickte mit abgewandtem Kopf, stieß den angehaltenen Atem aus und vermochte neue, verhältnismäßig reine Luft zu holen. »Also hierzulande«, fuhr Filine fort, »ist es Brauch, daß jeder nur einem einzigen Menschen gehört.
    Und wenn man sich mit mehreren einläßt wie bei uns daheim, wird man für lasterhaft und unsozial gehalten, gehaßt und verachtet. Einmal kam ein Rudel Weiber zu mir und schlug Krach, weil ihre Männer mich besuchten.
    Warum auch nicht? Und dann stürzten sie sich auf mich...
    Nein, das war zu schrecklich, das kann ich Ihnen gar nicht erzählen.« Filine verbarg schaudernd das Gesicht in den Händen. »Sie sind solche Furien, die Weiber hier. Wahnsinnige, grausame Wahnsinnige. Von Malthusdrill und Embryoflaschen und Entkorkung oder dergleichen haben sie natürlich keine Ahnung. Daher kriegen sie fortwährend Kinder, wie Hündinnen. Es ist widerlich! Wenn man bedenkt,

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